Seite:Badisches Sagenbuch 453.jpg

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Eigenschaften eines Pferdes besaß. Ein Jude machte nun einen Handel mit dem Pater, welcher die einzige Bedingung beifügte, daß das Pferd niemals in’s Wasser gelassen werden dürfe. Der Jude schwang sich nach geschlossenem Kauf frisch zu Pferde und ritt zur Stadt hinaus. Beim Anblick des Briegflußes konnte er doch dem Kitzel nicht widerstehen, durch denselben zu reiten, um zu sehen, was dies auf sein Pferd für eine Wirkung haben werde. Gedacht, gethan: Doch siehe! in der Mitte des Wassers fühlt er sich auf einmal ohne Bewegung und sieht sich, statt auf dem Pferd, auf einem Bund Stroh sitzen. Mit Zetergeschrei eilt er in’s Kloster zurück und fragt nach dem Pater Ungelehrt, der ihn so schrecklich betrogen habe. Der Pater, dies voraussehend, hatte sich auf’s Bette gelegt und einen Fuß herausgestreckt, während er sich dabei stellte, als ob er in tiefem Schlafe liege. Umsonst war alles Rufen des Juden, um den Schläfer zu wecken. Endlich zog er am hervorgestreckten Fuße desselben aus Leibeskräften: aber wehe! Der Fuß blieb in den Händen des Juden, der ihn fallen ließ und voll Entsetzen davon rannte.


Die Kreuzvögel.

Im vorigen Jahrhundert hatten die Villinger in der ganzen Umgegend den Spitznamen Kreuzvögel; dies verhielt sich wie folgt:

In den Wiesen vor dem Riedthore entdeckte man einst im Gehäge bei der Brunnenstube ein ungemein großes Ei. Die Anzeige wurde sogleich dem Magistrate gemacht und, als ein außergewöhnliches Phänomen, das Ei von demselben in höchsteigener Person erhoben und in die Stadt gebracht. Nun entstand die große Frage, was in dem Ei verborgen seyn möchte und wie man den Inhalt herausbringen könne? Da man kein Thier kannte, welches fähig gewesen wäre, dasselbe auszubrüten, so entschloß sich ein wohlweiser Rath, in höchsteigener Person sich diesem wichtigen Geschäfte zu unterziehen. Vom Rathsdiener an bis auf den Bürgermeister verlegten sich nun alle Herren auf das Ausbrüten des räthselhaften Ei’s. Durch die Kraftwärme des wohlbeleibten Consuls beseelt, sprang endlich die Schale auf, und

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_453.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)