Seite:Badisches Sagenbuch II 053.jpg

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Burg im Sturm zu nehmen, sahen sie plötzlich auf dem Thurme derselben drei blaue Flämmchen im nächtlichen Dunkel herumtanzen. Gleich darauf gesellte sich Frau Brigitte zu denselben, einen Zauberstab in der Hand, den sie nach den vier Weltgegenden ausstreckte, während sie mit lauter Stimme eine Zauberformel dazu sprach. Kaum war sie damit zu Ende, als der Boden unter ihnen erbebte, ein furchterliches Geheul durch die Luft erscholl, die Sterne verloschen und mit einem Knall, als wolle die Erde bersten, der ganze mächtige Bau des Schlosses sich aus der Tiefe seines Grundes losriß und, von unsichtbaren Gewalten getragen, auf die höchste Spitze des Berges schwebte, wo es sich so festsetzte, als wär’ es schon vor uralter Zeit auf dieser Stelle gegründet worden. Erstarrt vor Entsetzen schauten der Mönch und die sturmlustigen Bauern diesem Zauber nach, aber ihr Schrecken wurde, wo möglich, noch größer, als das Hexenweib ihnen vom Thurme herab zurief: „Solltet ihr euch vermessen, mich auch hier auf meiner neuen Wohnstätte zu beunruhigen, so werde ich eure Wohnungen, sammt Allem, was darin ist, ebenso wie meine Burg, durch die Lüfte forttragen und in den Rhein oder Bodensee hinab versenken lassen!“ – Der ganze Haufe rannte nun nach Anhörung dieser gräßlichen Drohung, so schnell ihn nur die Füße trugen, nach seinen Wohnungen zurück und eine lange Zeit verging, ohne daß irgend ein Mensch den Muth gehabt hatte, den Berg wieder zu besteigen, von dessen Gipfel das gespenstige Schloß herabstarrte. Ohngefähr sechzig Jahre später verirrte sich ein Mägdlein, das Erdbeeren sammelte, bis vor den Eingang der Burg, deren Mauern sie vor dem ringsherum stehenden dichten Gebüsche nicht gleich gewahr geworden war. Da sah sie plötzlich eine schwarzverschleierte, weibliche Gestalt hervortreten, die einen goldenen Schlüssel in der Hand hielt und ihr winkte, mit zu kommen. Das Mädchen aber rannte mit einem Schreckensgeschrei davon und den Berg wieder herab. Bald darauf zerfiel die Burg Mauer für Mauer und als einige Jäger es einmal wagten, in die Ruine zu dringen, fanden sie nichts darin als einen Haufen menschlicher Gebeine und unzählbare Schaaren von Eulen und Fledermäusen.

(S. Al. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden etc. etc.“)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band . Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_053.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)