Seite:Badisches Sagenbuch II 080.jpg

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Da stieg’ er einst heimlich mit frevelnder Tück’
Zu der Kirchuhr und stellte den Zeiger zurück,

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Ein Stündchen sie länger zu sehen.


Ohn’ Argwohn erschienen die Schwestern, die drei
Am Abend, wie sonsten, und spannen,
Da brummte die Glock’ erst Zehne statt Eilf,
O Himmel, erbarme dich ihrer und helf! –

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Sie wichen – o weh! nicht von dannen.


Dess freute sich weidlich der junge Gesell’,
Erfüllt war sein sträflich Begehren;
Und als nun eilfmal der Hammer schlug,
Enteilten sie fröhlich, nicht ahnend den Trug,

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Um – nimmer zurücke zu kehren.


Da sieht er des Morgens im nahen See
Drei Flecken mit Blute sich färben;
Und seufzend ertönet zu seinem Ohr
Der schreckliche Ruf aus der Tiefe hervor:

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„Verderben dem Mörder, Verderben!“


Und Entsetzen treibt ihn vom Orte hinweg;
Er ahnet das grause Vergehen,
Und weilet und harret bis diesen Tag
Der Schwestern, doch nimmer und nimmer vermag

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Die Geliebten er wiederzusehen.


Wohl aber vernimmt er vom Ufer her
Ein klägliches Stöhnen und Wimmern;
Wohl aber gewahrt er im dunklen See
Drei Schwäne von blendender Weiße wie Schnee,

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Wenn die Sternlein am Himmel erflimmern.
Marlame.
(Aus: „Teutsche Sagen aus dem Munde teutscher Dichter.“ Gesammelt von A. Nodnagel. Zweite Ausgabe. Dresden und Leipzig.)

*) Vergl. mit dieser Sage die verwandten, nur wenig abweichenden: „Die Nixen vom Schluchsee,“ Seite 143 des ersten Bandes, „der Nixenquell bei Epfenbach“ und „die Jungfrauen vom See bei Sennfeld“, in diesem Bande.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band . Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_080.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)