Seite:Badisches Sagenbuch II 106.jpg

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liegen, von gewaltigen Fluthen in einer urweltlichen Erdrevolution auf diese Höhen gewälzt. Wie öde und einsam auch Alles umher ist, – eine unvergleichliche, entzückende Fernsicht entschädigt reichlich dafür. Die Perle aller teutschen Gauen, das herrliche Rheinthal, breitet sich vor den Blicken aus in all seiner Pracht und Fülle, mit seinen blühenden Feldern und duftenden Rebhügeln, mit seinen gewerbsamen Städten und reinlichen Dörfern, mit seinen zahllosen Flüssen und Bächen, die alle raschen Laufes dem mächtigen Rheine zueilen, der einen Namen trägt, ruhmreicher wie kein anderer Strom der Erde. Wer zählt all’ die Schlachten auf, die an seinen Ufern geschlagen, wer all’ die Thaten, die hier in Liedern besungen worden? Drüben aber aus dem Dufte der Ferne steigt Erwin’s gewaltiger Riesenbau zum Himmel empor und schaut wehmüthig nach dem ernsten Schwarzwald herüber, den er einst, gleich den Bergen des Wasgau’s, seine Heimath genannt.

Endlich hatte ich das Ende des langgedehnten Bergrückens erreicht, aber ich war gar nicht freudig überrascht, als ich mich jetzt plötzlich durch einen tiefen, breiten Einschnitt des Gebirges von den Hornisgrinden getrennt sah, an deren südöstlichem Abhange das Ziel meiner Wanderung lag. Mißmuthig stieg ich hinab, um auf der andern Seite noch höher wieder hinaufzuklimmen, doch empfand ich es nicht wenig angenehm, als ich wieder auf Waldungen traf und kühle Schatten mich umfingen, denn die Sonne war bereits hoch gestiegen und ihre Strahlen hatten in der baumlosen Oede heiß auf meinem Scheitel gebrannt. Meine Freude sollte indeß nicht lange währen, denn die Schatten wurden bald wieder lichter, der Wald dünner und die Bäume gewannen immer mehr ein schwächlicheres, kränklicheres Aussehen, bis sie zuletzt ganz verschwanden. Endlich änderte sich auch der schöne Teppich von Moos und Haidekraut unter meinen Füßen, und als ich die hohe Gebirgsfläche, welche den Namen Hornisgrinde trägt, erreicht hatte, bedeckte nur erdfahles Sumpfmoos den unfruchtbaren, lockern Torfboden, der nur hier und da einer verkrüppelten Krummholzkiefer die spärliche Nahrung spendet. Oeder, trauriger läßt sich kaum eine Gegend denken als diese, wo selbst die grüne Farbe aus der Vegetation verschwunden ist. An einem gewaltigen Steinhaufen

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_106.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)