Seite:Badisches Sagenbuch II 112.jpg

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Wasser sie alsbald Berwin’s Blicken entzogen. – Mit sich hinab in die Tiefe nahm sie die Ruhe seines Lebens. Mit Staunen, ja mit Entsetzen starrte sein Blick nach der Stelle hin, wo das holde Kind verschwunden war, schweifte von dort nach dem Platze, wo sie gesessen, und sah etwas schimmern im grünen Gestrüpp. Er eilte hin und fand dort den Schleier des reizenden Wunderkindes, den sie vor Eile vergessen und der von so feinem Gewebe war, daß er sich leicht in einer Hand verbergen ließ. Berwin drückte den glücklichen Fund an sein Herz, an seine Lippen und barg ihn zuletzt an seinem Busen. Er weilte noch lang am Ufer des See’s, immer hoffend, die Erscheinung werde noch einmal zurückkehren, um das Vergessene zu holen. Aber vergebens! Als endlich die Sonne hinabgesunken und Mond und Sterne am dunkelnden Himmel heraufzogen, trat er den Rückweg an und erreichte halb träumend das Forsthaus, wo er sich alsbald unter dem Vorwand von Ermüdung auf seine Kammer begab.

Am andern Morgen frisch gestärkt erwacht, däuchte ihm die ganze Begebenheit nur ein schöner Frühlingstraum. Als er aber auf dem Sitze neben seinem Lager den Schleier der Seejungfrau erblickte, da ward wieder Alles deutlich und lebendig vor seiner Seele, und die Sehnsucht nach dem süßen Wunderkinde lockte ihn unwiderstehlich abermals nach dem See. Und Tag für Tag trieb es ihn fortan nach dem verhängnißvollen Gewässer, stets in banger Hoffnung dort harrend, ob die holde Jungfrau sich nicht wieder zeigen werde. Doch sie kam nicht wieder. Aber diese Täuschung, das ungestillte Sehnen und der Schmerz der Liebe zehrten an seinem Herzblut, und der tiefe Seelengram bleichte seine Wangen.

Mit unendlichem Kummer sahen die betagten Eltern, wie der einzige geliebte Sohn in der Blüthe seiner Jahre dem Grabe zuwankte, wie er täglich bleicher und stiller ward, wie nichts mehr auf Erden ihn zu erfreuen vermochte. Wohl war die arme Mutter in ihrem Jammer oft in ihn gedrungen, ihr zu sagen, was so schwer ihn bedrücke, aber nur ausweichende Worte waren seine Antwort.

In dem benachbarten Dorfe Seebach wohnte damals ein herrschaftlicher Beiförster, der bei Berwin’s Vater einst die Jägerei

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_112.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)