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Der See verstummt, der Wald verdorrt,
Der Jäger sitzt dort immerfort;

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Dort harrt sein Geist noch heut zu Tag,

Ob Keiner ihn erlösen mag.

Georg Rapp.


Der Ritter und das Seefräulein.

Ein Ritter kühn im Jagen
Verfolgt ein scheues Reh;
Vom schnellen Roß getragen
Kommt er zum tiefen See;

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Da steigt er in die kühle Fluth,

Ermattet von der Hitze,
Erfrischt sein junges Blut.

Und wie er schaut hinunter
Tief in den See hinein,

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Da schwebt ein seltsam Wunder

Hervor im Abendschein:
Ein zartes Fräulein, klar und mild,
Mit wasserblauem Schleier;
Es war ein rechtes Bild.

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Sie schwebet immer näher,

Bald steht sie vor ihm da;
Sein Herz schwoll hoch und höher,
Wußt’ nicht, wie ihm geschah!
Sie blickt’ ihn an so liebevoll;

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Sie pflogen süßer Rede,

Dem Jüngling ward so wohl.

Die hellen Sterne brennen
Schon lang am Himmelszelt;
Doch Lieb kann Niemand trennen,

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Die sich umfangen hält.

Als endlich kam die Mitternacht,
Da ward dem schönen Ritter
Ein Lebewohl gebracht.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_117.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)