So oft die Sonn’ jetzt sinket,
Alsbald die Meerfrau winket
Und schwebt zu ihm an’s Land;
So oft jetzt kommt die Mitternacht,
Da wird dem schönen Ritter
„Komm’ mit zum Hochzeitsmahle,
Mein’ Schwester wird getraut
In meines Schloßes Saale;
Komm’ mit, du süße Braut!“
Trotz ihrem Widerstreben,
Und nimmt sie mit auf’s Schloß.
Da, bei dem Klang der Saiten
Und bei der Kerzen Glanz,
Sie schweben hin im Tanz.
Der Wächter ruft die Mitternacht,
Da wird dem jungen Ritter
Ein Lebewohl gebracht.
Er denkt nicht an die Zeit,
Er küßt die zarten Wangen:
Da weint die schöne Maid.
Vorbei war lang die Mitternacht;
Nachher groß Leid gebracht.
„Laß mich, mein traut’ Geselle,
Gib mir das letzt’ Geleit’!
Es naht der Morgen helle,
Vorbei ist lang die Mitternacht –
Ich glaub’, die große Liebe
Hat mir den Tod gebracht!
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_118.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)