Seite:Badisches Sagenbuch II 119.jpg

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„Kommst morgen du zur Stelle

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Dort an die dunkle Fluth,

Und dringet aus der Welle
Ein rosenfarbnes Blut:
So denk’: die Weil’ nach Mitternacht,
Und unser treues Lieben,

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Hat mir den Tod gebracht.“


Und wie er kam zur Stelle
Dort an die dunkle Fluth,
Da dringet aus der Welle
Das rosenfarbne Blut.

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Er klaget bis zur Mitternacht;

Dann nahm ihn auf die Welle –
Hat nimmer ihn gebracht.

Karl Zell.


Die guten Seejungfrauen.

Um die Herrenwiese liegen einige Seen auf hohen Gebirgen, in Wald und Felsen versteckt. Nicht weit von jenem Dörflein, am Abhang des Berges Seekopf, und nicht weit vom Heidenberg, liegt der Herrenwieser See, der auch Hummelsee und der kleine Mummelsee heißt, weil man glaubt, er habe sein Wasser aus dem großen Mummelsee, der drei Stunden südwerts liegt und woraus die Acher fließt. Der Herrenwieser See soll unergründlich tief seyn. Ein Jäger schoß einmal ein Reh an seinem Ufer, das ins Wasser fiel und am dritten Tage ganz zerquetscht bei der Seebachbrücke wieder ausgestoßen wurde. – In diesem See wohnten einst wohlthätige Jungfrauen; sie kamen Nachts ins Thal herab und wuschen frommen und redlichen Leuten die Wäsche aus, die sie dort in den Zubern stehen hatten. Wo sie den Taig in der Mulde fanden, da bucken sie das Brod, ehe die Leute wach wurden; sie fegten die Häuser, während die Leute schliefen; im Herbste schnitten sie Nachts die reifen Trauben ab und trugen sie zusammen in die Bütten; die schlechten aber ließen sie für die Vögel hängen, darum gab

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_119.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)