Seite:Badisches Sagenbuch II 127.jpg

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Schwestern in das feindliche Raubnest geschleppt, in dessen Verließe, bei Fackelschein, jeder der zwölf Ritter ihm einen Dolch in die Brust stieß. Hierauf tödteten sie ebenso ihre einzige Schwester, nachdem sie den gräßlichen Tod ihres Buhlen hatte mit ansehen müßen. Die geraubten zwölf Jungfrauen mußten sich mit den zwölf Seeburger Brüder vermählen, erhoben sich aber in der Hochzeitnacht leise von ihrem Lager und durchbohrten die schändlichen Mörder ihres Bruders mit denselben Dolchen, die sein Blut vergossen hatten. Nach Befriedigung ihrer Rache wollten die zwölf Schwestern wieder auf die Schwarzburg zurückkehren, wurden aber von den Knechten der Seeburger überfallen und auf der Stelle getödtet. Bald darauf brach in der Seeburg eine Feuersbrunst aus; da sah man unter den stürzenden Balken und berstenden Mauern zwölf weibliche Gestalten in weißen Gewändern durch die Flammen schreiten, jegliche ein Kindlein im Arm, hinaus zu dem Nonnensee, und in dessen Tiefe sich stürzen. Dumpf braußten die Wasser auf und von der Zeit an nahmen sie eine Farbe schwarz wie Dinte an.

Jeden Tag nun, sobald die Dämmerung herabsinkt und das Abendglöcklein im nächsten Dorfe geläutet wird, kommen dreizehn Stücke Rothwild aus dem zerfallenen Thore der Seeburg hervor und nehmen den Weg nach der Ruine der Schwarzburg. Kecke Wildschützen haben es bisweilen gewagt, auf diese Thiere zu schießen; aber wenn auch eines oder das andere zusammenstürzte und der Jäger sich der Beute bemächtigen wollte, war sie plötzlich spurlos vor seinen Blicken verschwunden; ja, einmal soll die Kugel zurückgeprallt sein und den frechen Schützen selbst getödtet haben. Blos am Freitage, oder dem sogenannten Jägersabbath, läßt sich der Zug des Wildes nicht sehen; aber um Mitternacht wandeln dann zwölf weiße Nonnen aus einem Thurme der Seeburg und in ihrer Mitte wankt ein hoher bleicher Mann, in dessen Brust zwölf Dolche stecken. Während sie durch den Schloßhof dahinschreiten, kommt ihnen aus der Hauptpforte ein Zug von zwölf schwarzen Männern entgegen, ihre Gestalten mit brennenden Flecken übersäet. In ihrer Mitte geht ein weißverschleiertes Weib. In tiefer Stille schreiten sie an den Nonnen vorüber und verschwinden, zu gleicher Zeit wie jene, am Eingang in die alte Begräbnißkapelle.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_127.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)