Seite:Badisches Sagenbuch II 128.jpg

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Ein alter Mann, der in der Nähe des Nonnensee’s lebte und Crucifixe aus Holz schnitzte, die er in der Umgegend verkaufte, hörte manchmal in der Nacht ein Gestöhne, wie von Sterbenden, das aus den Fluthen zu kommen schien. Dann warf er sich auf die Kniee und betete für die Ruhe der Abgeschiedenen, welche dort in der Tiefe ihr Grab gefunden. Als ihm seine Frau starb, vernahm er in der Kammer, worin sie auf Streu lag, eine sanfte Musik. Leis öffnet er die Thüre und erblickt dreizehn weiße Jungfrauen, mit Lichtlein in den Händen, um die Leiche stehen und sie bewachen.

(S. Al. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden etc. etc.“)


Die Nonnen singen nicht mehr.

Wo der Wildsee liegt, da stand ehemals ein Nonnenkloster, das ist aber längst versunken und vom Wasser bedeckt. Man sieht noch den Fahrweg und das Geleis in den Felsen; der Pfad führt gerade auf den See und nicht weiter; denn es war der einzige Weg zum Kloster. Die Nonnen saßen noch oft am See, nachdem ihr Kloster untergegangen war und sangen Lieder; kam aber Jemand in die Nähe, so sprangen sie alle ins Wasser. Es waren allezeit ihrer zwölfe. Sie tanzten sehr gern und kamen oft zu den Leuten in die benachbarten Thäler, aber stets nur Eine allein; und nie hat man gesehen, daß Eine Speis’ oder Trank angenommen hätte. Sie nahmen zwar von ihrem Tänzer das Glas an, als wenn sie Bescheid trinken wollten, berührten aber den Rand nur mit den Lippen, ohne zu trinken. Daher sagt man auch, wenn man einen Trunk einer Jungfer zubringt und sie vom Weine bloß ein Bischen nippt: „Sie trinkt wie eine Nonne, die an dem See ihr Liedlein singt.“

Diese Nonnen trugen weiße Kleider, waren fröhlich und guter Dinge, gaben aber keine Antwort, wenn man sie nach ihrem geheimnißvollen See fragte. Einen Tänzer, der solch eine Frage an sie stellte, verließen sie augenblicklich und waren nie wieder an diesem Orte zu sehen. Das Volk hatte sie sehr gerne als Gäste bei Hochzeiten, denn sie brachten der Braut Heil und Segen; daher gingen die Hochzeiterinnen drei Tage

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_128.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)