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Ihm als der Liebe Unterpfand.
Wie lauscht sie gern der Worte Kosen,
Die süß von seinen Lippen floßen!

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Und jede Nacht fand dort im Hain

Das Paar im zärtlichsten Verein. –

Drei Monden waren so verschwommen,
Da war des Römers Gluth verglommen;
Er wurde lau, er wurde kalt,

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Ihn lockten Reize mannigfalt.

Stets seltener zur Fee kam er,
Stets kühler, endlich – gar nicht mehr.
In neuer Freuden Ueberfluß
Vergaß er bald Ellenens Kuß.

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Wohl lauschte sie noch manchesmal

Im Eichenhain, im Mondesstrahl,
Und rauschte nur ein Blättchen leis,
So wähnte sie, der Liebste sey’s.
Wie manche goldne Sommernacht

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Ward so vergebens zugebracht!

Bis endlich ihr kein Zweifel blieb,
Daß er vergessen Schwur und Lieb,
Und auch die letzte Hoffnung aus
Ihr losch in der Verzweiflung Graus.

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Da preßt sie fest im wilden Schmerz

Den starren Felsen an ihr Herz,
Und ruft: „O würde mein Gebein
Gleich diesem Felsen hier zu Stein!“ –
Und wie sie bat, ist ihr geschehn:

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Ein Gott erhört ihr heißes Flehn,

Sie wird versteinert auf der Stell’
Und ihrer Brust entspringt ein Quell.
Das sind der Liebe herbe Thränen,
Des Herzens ungestilltes Sehnen!

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Die Quelle sprudelt heut noch fort

Am Ruheplatz, so heißt der Ort,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_229.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)