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Man sah’s von Schloß und Hütte ziehn,
Als ging’s zu Tanz und Waffenspiele.

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Der Böse stellt sich drauf mit Neigen

Gar sittsam auf den höchsten Stein,
Und als die Hörer alle schweigen,
Beginnt er leise, mild und fein,
Die Rede süß und klug ersonnen,

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Und spricht von seines Reiches Wonnen,

Von ewigem Glanz und Herrlichkeit,
Die seinen Dienern stehn bereit.
Er weiß mit losem Trug und Spott
Die Geister listig zu bethören,

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Daß schon in mancher schwachen Brust

Sich hebt und regt die sündige Lust,
Und spöttelnd über den lieben Gott
Man kann viel leidige Worte hören. –

Da fällt’s, wie lichter Wetterschein,

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Tief in den finstern Wald herein;

Genüber des Bösen Höllenthron
Erklingt ein goldner Harfenton;
Ein Engelknabe niederrauschet
In silberleuchtendem Gewand,

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Die Palme tragend in der Hand,

Und still bewegt die Menge lauschet.

Und wie er spricht, beginnt’s zu tagen
Wie Himmelsroth in jeder Brust;
Sie fühlen mächtig, unbewußt,

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Sich zu dem Engel hingetragen.

Der Böse wüthet bald allein
Auf dem verlassnen Kanzelstein;
Er bricht empor im wilden Grimme,
Doch süßer tönt des Engels Stimme,

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Und immer heißer wird der Drang;

Von allen Lippen festlich klingt,
Aus allen Herzen gläubig schwingt
Empor sich heiliger Bußgesang. –

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_257.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)