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Längst träumt im Schlosse der müde Graf,

Die Knechte liegen im tiefen Schlaf.

Der Koch allein an dem Fenster wacht,
Seine Wangen kühlet der Hauch der Nacht.

Er schaut von dem hohen Herrenhaus

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Weit über die silbernen Tannen hinaus.


Und wie er blickt in die Mondnacht kühl,
Gewahrt er plötzlich ein bunt Gewühl.

Wo der Wachtelbrunnen so helle rinnt,
Ein lustiges Hüpfen und Tanzen beginnt.

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Es weben den Reigen viel Männer und Frau’n,

Wie gaukelnde Elfen im nächtigen Thau’n.

Der Koch, der traut seinen Augen kaum,
Ist’s Wahrheit, ist es ein neckischer Traum?

Da durchwühlt ein eisiger Wind sein Haar;

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Wohl wacht er, wohl sieht er ja hell und klar,


Wohl sieht er, wie näher dem Schlosse tritt
Die hüpfende Schaar in gemeßnem Schritt.

Kein Pfeifer flötet, kein Fiedler geigt,
Der Mund der Tänzer, der Frauen, schweigt,

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Und bleich wie der Mond bei der Sonne Licht

Ist der Männer, der Frauen Angesicht;

Und ernst, wie von tiefem Leid bewegt,
Ist die bunte Schaar, die sich tanzend regt.

Und der Männer viele und viel der Frau’n

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Erkennt er, die seine Augen schau’n.


In Gernsbach, im Städtlein, sind Alle zu Haus,
Was lockt sie zur Mitternachtstunde heraus?

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_292.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)