Seite:Badisches Sagenbuch II 293.jpg

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Was treibt die Greise zur nächtlichen Fahrt?
Was die züchtigen Frauen, die Mägdlein zart?

35
Da starret sein Blut und es sträubt sich sein Haar, –

Er sieht sich selbst in der tanzenden Schaar!

Sich selber tanzen im Festesgewand,
Eine bleiche Frau an der welken Hand.

Er sieht sich tanzen voll Ernst und stumm,

40
Mit der schweigenden Schaar um das Schloß herum;


Sieht wandeln sich fort in bewegter Ruh
Mit den stillen Tänzern dem Siechhof zu! –

Durch den Himmel schweifet ein blutiger Stern,
Auf der Erde lastet die Hand des Herrn.

45
Der Herr hat ergossen die Schaale des Zorns:

Gift wurde die Luft und die Welle des Borns.

Der Herr läßt strömen den Hauch der Pest
Nach Nord und Süden, nach Ost und West.

Aus jeder Hütte, aus jedem Haus

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Tönt Aechzen und Jammern und Heulen heraus.


Von früh bis das letzte Sternlein erscheint,
Die Todtenglocke wimmert und weint.

Im Friedhof zu Gernsbach wächst Grab an Grab,
Die Tänzer sie sanken alle hinab.

55
Es schläft inmitten der sandigen Reih’n

Der, der sie belauschet im Mondenschein.

Gerhard Helfrich.

Die Sage spielt im Jahr 1518, wo das große „Landssterbendt“ (Pest) herrschte. Der sogenannte Wachtelbrunnen wurde überhaupt als ein von Gespenstererscheinungen heimgesuchter Ort betrachtet.

Die meisten Städte des Landes wurden seit dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts durch die Pest entvölkert. Das gesegnete Baden, das seine Thore geschlossen und die heißen Quellen losgelassen haben

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_293.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)