Mir als das bravste Mädchen!
Nimm hier zu deiner Tugend Lohn,
Dies goldne Spinnerädchen;
Häng’ Nesseln dran, und über Nacht
Von selbst, noch eh’ du bist erwacht,
Ein Hemd dem Burgvogt spinnen!“
Bevor Christinchen danken kann,
Ist schon der Geist verschwunden.
Mit Nesseln dicht umwunden;
Und Nachts im Traume hört sie laut
Das goldne Rädchen schnurren,
Und sieht aus wildem Nesselkraut
Und schon beim ersten Morgenschein
Erblickt sie mit Frohlocken
Das Nesselhemd, gar blank und fein,
Vollendet an dem Rocken.
Der just vom Schlaf erwachte
Und an die spröde Spinnerin
Voll Schadenfreude dachte.
Der Vogt traut seinen Augen kaum
Das Hemd ist weiß wie Schwanenflaum,
Ein wunderfein Gewebe!“
Und auf der Stelle zieht er’s an,
Doch sinkt er schnell zusammen:
Dein Hemd brennt ja wie Flammen!“
In Todesangst versuchet er
Das Hemd sich abzureißen;
Umsonst! es brennt ihn immer mehr,
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_304.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)