Seite:Badisches Sagenbuch II 327.jpg

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wenigen Gefangenen befand sich auch des Hohenwarters einziger, vierzehnjähriger Sohn; der unschuldige Knabe sollte gleichfalls für das Vergehen seines Vaters büßen: er ward in das Kloster Herrenalb gebracht, um dort erzogen und, sobald er das gehörige Alter erreicht, in die Mönchskutte gesteckt zu werden.

Unter den Mönchen nahm sich des Knaben besonders der Bruder Placidus an. Oft und bitter vom Leben und den Menschen getäuscht, hatte ihn zuletzt Welthaß in das Kloster geführt, und er suchte diesen auch in dem jugendlichen Herzen seines Schützlings zu erwecken. Haß in dem Knaben anzufachen gelang ihm zwar, aber nicht gegen die Welt, sondern gegen Diejenigen, welche ihn so grausam daraus verstoßen hatten. Oft stand der arme Jüngling an einem Fenster des Klosters und schaute hinaus in die freie Gotteswelt, die auf ewig ihm verschlossen seyn sollte; heiße Thränen rannen ihm über die Wangen, und die Sehnsucht nach Freiheit, nach der offenen Natur, wollte ihm fast das Herz brechen. Vergebens jedoch waren seine Klagen; die Pforten des düsteren Klosters erschlossen sich ihm nicht mehr. Und er durfte seinen Schmerz nicht einmal laut werden, nicht die leiseste Klage sich entschlüpfen lassen, sonst wartete seiner die härteste Züchtigung. So wuchsen Groll und Rachedurst mit ihm auf; allmählig ward er ein Meister in der Verstellungskunst, indessen tief in seinem Innern die verderbliche Flamme des Hasses gegen die Stürtzer seines Hauses in heller Lohe fortglühte. Am bittersten jedoch war sein Groll gegen den Grafen von Eberstein, der ihm den Vater, der ihm sein Erbtheil entrissen, der ihn in das verabscheute Kloster begraben hatte, wo er nun sein frisches, kräftiges Leben vertrauern mußte. Trotz dem galt er allgemein im Kloster für das Muster eines frommen Bruders, und seinem natürlichen Verstand gelang es bald, alle seine Mitbrüder durchschauend, sich eines Jeden Gunst zu erwerben. So kam es, daß er, noch nicht fünfundzwanzig Jahre alt, nach dem Tode des alten Abtes fast einstimmig zum Vorsteher des Klosters erhoben wurde.

Jetzt hatte der junge Mann den ersten Zweck seines Strebens erreicht, und glaubte nun Mittel und Macht genug zu

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_327.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)