Seite:Badisches Sagenbuch II 331.jpg

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ich nebenan sprechen und diesen Namen nennen; es kam mir gerade vor, als wenn es von dem großen Bilde herkäme, welches die Schutzpatronin des Klosters vorstellt.“

Fast ungläubig schüttelte der Ebersteiner den Kopf; aber nach einigem Nachdenken dünkte es ihm doch, daß es der Mühe vielleicht lohnen möchte, der Sache näher nachzuforschen. Er konnte sich freilich die Möglichkeit kaum vorstellen, daß seine Tochter im Kloster gefangen säße, wo er nur gute Frunde zu haben glaubte, wollte sich aber doch keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen haben.

Er klopfte darum gleich des andern Tages in Pilgertracht an der Klosterpforte und bat demüthig um etwas Speise, seinen Hunger zu stillen. Er ward in das Zimmer gewiesen, das ihm der Hirtenknabe bezeichnet hatte und das er leicht an dem großen Gemälde der heiligen Jungfrau erkannte. Es war in der Wand selbst eingerahmt und reichte vom Boden fast bis an die getäfelte Decke.

Anfänglich befanden sich noch andere Fremde in der Stube, weßhalb er dieselbe nicht gleich näher untersuchen konnte; doch strengte er seine ganze Aufmerksamkeit an, ob er nichts hinter der Leinwand vernehmen könne. Lange blieb dies vergebens. Endlich hört’ er flüsternde Stimmen aus jener Gegend, jedoch waren sie nicht laut genug, um von den Uebrigen vernommen zu werden, die sich nur mit ihrem Essen beschäftigten. Er harrte darum voll Ungeduld ihrer Entfernung, und als er sich endlich allein sah, trat er näher an das Bild und lauschte mit verhaltenem Athem. Deutlich unterschied er nun zwei Stimmen, und, wenn ihn nicht Alles trügte, so gehörte die eine seiner Tochter. Die andere däuchte ihm ebenfalls bekannt, ohne daß er jedoch mit sich einig werden konnte, wem er sie beilegen solle. Er hörte ganz vernehmlich, wie von einer Flucht die Rede war, die um Mitternacht bewerkstelligt werden sollte, und zwar wolle man den Weg die Alb abwerts nehmen, um der etwaigen Verfolgung zu entgehen, falls das Vorhaben verrathen würde.

Eberhard bohrte nun mit aller Vorsicht mit der Spitze seines Schwertes, das er unter seinem Pilgergewande verborgen trug, eine Oeffnung am Rande des Gemäldes. Wer beschreibt aber seine Ueberraschung, als er jetzt das anstoßende Gemach übersehen

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_331.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)