Seite:Badisches Sagenbuch II 332.jpg

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konnte und in demselben seine Tochter in den Armen eines Mannes in Rittertracht erblickte, der eben einen feurigen Kuß auf die Lippen des Mädchen drückte. Staunen und Wuth ließen ihn anfänglich zu keinem Entschluße kommen, und bevor er sich wieder gefaßt hatte, verließ der junge Mann das Gemach. Eberhard entfernte sich gleichfalls augenblicklich, um ruhiger über seinen Plan nachzusinnen.

Unweit von dem Kloster erhebt sich am Wege eine Masse gewaltiger Felsenklippen, der Falkenstein genannt. Im Schatten dieser mächtigen Steinwand harrte der Graf von Eberstein mit Reisigen auf die Stunde der Mitternacht. Kaum war der zwölfte Schlag auf der Klosteruhr verklungen, da tönte Hufschlag durch die Stille der Nacht, und gleich darauf kamen zwei Reiter des Wegs daher gesprengt. Mit einem donnernden „Halt!“ warfen sich Eberhard und seine Gefährten ihnen entgegen.

„Heiliger Gott! das ist meines Vaters Stimme!“ rief Agnes – denn diese war eine der beiden Berittenen – ihrem Begleiter zu. Allein Dieser kehrte sich wenig daran und drang wüthend auf die Anwesenden ein. Doch nach einem kurzen Gefecht traf ihn ein so gewaltiger Streich von Eberhards Schwerte, daß er taumelnd und blutend vom Roße sank.

„Um’s Himmels Willen, was habt Ihr gethan? mein Vater?“ – jammerte die trostlose Gräfin – „Ihr ermordet Den, der mich errettet aus den Händen des ruchlosen Abtes!“

„Schweig ungerathene Dirne!“ – herrschte der Vater ihr zu – „Sprich, wenn du gefragt wirst! Zuerst will ich ein Wort mit diesem, deinem sogenannten Befreier, reden. – Sprich, Schurke, wer bist du, und was wolltest du mit meinem leichtsinnigen Kinde?“

„Eure Tochter ist schuldlos;“ – stöhnte der Verwundete mit ersterbender Stimme. – „Ich fühle den Tod mir nahen und will keine Lüge mit hinüber nehmen in die Ewigkeit; darum hört mich gläubig an. Ich bin Johann von Hohenwart, der Abt des Klosters Herrenalb. Ihr habt mir einst den Vater gemordet, mein Besitzthum zerstört und mich zu einem freudelosen Leben im Kloster verdammt, das mir in innerster Seele zuwider ist. Da schwur ich Euch grimmige Rache. Ich

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_332.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)