Seite:Badisches Sagenbuch II 371.jpg

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2. In früheren Jahren fuhr oft zur Herbstzeit, gleich nach der Abendglocke, das wüthende Heer über Wolfartsweier. Man sah keine Gestalten, hörte aber Schießen, Hundegebell, Hörnerklang und Jägerhalloh. Vor dem Zuge her rief eine Stimme: „Wenn du beschädigt wirst, so verbinde die Wunde mit rohem Garne.“

3. Wolfartsweier war in alten Tagen wohl dreimal so groß als jetzt und seine Gemarkung erstreckte sich bis Grötzingen, wohin seine Kinder in die Schule gingen. Durch den Schwedenkrieg kam aber der Ort so herunter, daß er nur noch sieben Bürger zählte, die, weil die damalige Gemarkung für sie zu groß war, es ruhig geschehen ließen, daß die Durlacher einen beträchtlichen Theil derselben an sich rißen. Als Letztere jedoch hiermit noch nicht zufrieden waren, und bis in die Nähe des Dorfes hervordrangen, widersetzten sich ihnen die sieben Bürger, indem sie waker den Mund aufthaten und über ihr Recht vollgültiges Zeugniß abgaben, wodurch sie auch die Durlacher von weiterem Umsichgreifen abhielten. Die Gegend, wo dies geschehen, heißt jetzt noch: „Im siebenten Mund“ und das dortige Gäßlein, welches den Wolfartsweier Wald vom Durlacher scheidet: „das siebente Mundgäßlein“.

Von diesem an bis zum Tiefenthaler Bach muß derjenige Durlacher, welcher an der erwähnten Beraubung die meiste Schuld trägt, seit seinem Tode umhergehen. Er erscheint bald als schwarzer Mann ohne Kopf, bald als Fuchs, bald als Hase, oder fährt unsichtbar, wie mit einem rasselnden Schiebkarren, durch die Kronen der Bäume, daß die Aeste brechen. Als einst der Förster von Au nach einem Fuchse schoß, verschwand derselbe vor seinen Augen, dem Schützen aber wurden das Gewehr und einige Finger verdreht.[1]


  1. Sagen über Verluste der Gemarkung gibt es noch in vielen Gemeinden. Wie manchmal Gemarkungsnamen sagenhaft ausgedeutet werden, hier ein Beispiel: In der Gemarkung Kronau heißt ein großes Wiesenstück die Reut, welches in die Gemarkung von Mingolsheim hineingreift. Nun erzählen die Bewohner, das Feldstück habe zu ihrer Gemarkung gehört, sie hätten es aber aus Gutmüthigkeit den Kronauern zur Benützung überlassen. Durch Zeit und Undank machten es Diese zu ihrem Eigenthum und deswegen geben die [372] Mingolsheimer dem Feldstück den Namen Reut, weil ihre Gutmüthigkeit sie gereut hat.
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_371.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)