Derweil nun pestgepeinigt
Die Stadt voll Jammers war,
Hat Rathes sich vereinigt
Von Bürgern eine Schaar,
Den edlen Singerbund;
Viel wakre Gildgenossen
Gelobten sich’s zur Stund’:
„Was euch droht,
Laßt uns lindern der Kranken Noth,
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Er üb’ an dem Todten die Christenpflicht!“
So führten sie mit Singen
So Hohen als Geringen
Ward Hülf’ und Trost zu Theil;
Die Lieb’ und Treue kehrte
Zurück ins Thal der Enz,
Dem Grimm der Pestilenz.
Heute roth,
Morgen todt –
Hilf dem Nächsten nach Gottes Gebot!
Gedenke des Todes, der Christenpflicht!
Obiges Gedicht lehnt sich im Wesentlichen an die Geschichte an. Im Iahr 1501, als die Pest in Pforzheim Grauen und Jammer verbreitete, trat eine Anzahl hochherziger Männer als Todtengesellschaft (Singergesellschaft) zusammen, um Jedem in Noth und Tod beizustehen, dem Erkrankten unentgeldlich Hülfe, dem Entschlafenen Ruhe im Grabe zu verschaffen. Den Namen Singer erhielten die Theilnehmer wahrscheinlich deßhalb, weil sie die Todten mit Sang und Klang zu Grab geleiteten. Noch besteht die löbliche Singergesellschaft, freilich nach den Zeitumständen verändert.
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_399.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)