Seite:Badisches Sagenbuch II 399.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Derweil nun pestgepeinigt
Die Stadt voll Jammers war,
Hat Rathes sich vereinigt
Von Bürgern eine Schaar,

70
Und glaubensstark geschlossen

Den edlen Singerbund;
Viel wakre Gildgenossen
Gelobten sich’s zur Stund’:
„Was euch droht,

75
Qual und Tod,

Laßt uns lindern der Kranken Noth,
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Er üb’ an dem Todten die Christenpflicht!“

So führten sie mit Singen

80
Ihr Amt der Stadt zum Heil,

So Hohen als Geringen
Ward Hülf’ und Trost zu Theil;
Die Lieb’ und Treue kehrte
Zurück ins Thal der Enz,

85
Und Gott im Himmel wehrte

Dem Grimm der Pestilenz.
Heute roth,
Morgen todt –
Hilf dem Nächsten nach Gottes Gebot!

90
Wer weiß, wann die Noth in’s Haus dir bricht!

Gedenke des Todes, der Christenpflicht!

Eduard Brauer.

Obiges Gedicht lehnt sich im Wesentlichen an die Geschichte an. Im Iahr 1501, als die Pest in Pforzheim Grauen und Jammer verbreitete, trat eine Anzahl hochherziger Männer als Todtengesellschaft (Singergesellschaft) zusammen, um Jedem in Noth und Tod beizustehen, dem Erkrankten unentgeldlich Hülfe, dem Entschlafenen Ruhe im Grabe zu verschaffen. Den Namen Singer erhielten die Theilnehmer wahrscheinlich deßhalb, weil sie die Todten mit Sang und Klang zu Grab geleiteten. Noch besteht die löbliche Singergesellschaft, freilich nach den Zeitumständen verändert.

D. O.     
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_399.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)