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„Wie hell zu meinen Füßen, im goldnen Abendschein,

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Die Städte friedlich grüßen bis fernhinab am Rhein!

’s ist großer Feierabend! – Das Leben geht zur Rast,
Der Schlaf sucht still die Herberg, ein süß gebetner Gast!“

„Ihr Burgen und ihr Städte! Ihr Felder und ihr Au’n,
So weit euch kann der Herrscher mit Vaterblick erschau’n,

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Mög’ Friede nie euch lassen, mögt ihr ihn immer hegen,

Dann will ich gern erblassen! – Das ist mein Abendsegen! –“

Kaum hat’s der Fürst gesprochen , wird’s unten laut im Schloß,
Es schallt wie Hufgeklapper von manchem tüchtigen Roß. –
„Wer kommt so spat?“ – ruft Heinrich. – „Sieh zu mein Töchterlein,

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Und ist’s ein Gast, nach teutschem Brauch soll er willkommen seyn!“


Die Tochter eilt geschäftig hinab die Wendelstieg’;
Da hört sie plötzlich rufen von hundert Stimmen: „Krieg!“ –
Ein Herold hält zu Rosse, mit Reichsfarb’ angethan,
Stolz, königlich zu schauen, der schönste teutsche Mann!

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Vom Haupt in reichster Fülle die braune Locke wallt,

Sein Blick, siegreich erobernd, bezwingt mit Allgewalt;
Hochfürstlich, wie ein Gebieter, steht er im Schlosse da
Und spricht, wie er am Söller den Welfengrafen sah:

„Aus ist’s mit Eurem Herrschen, Pfalzgraf, in diesem Land!

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Das spricht zu Euch der Kaiser! Ihr seyd vom Reich verbannt!“ –

„Wie? sendet dies der Kaiser? Ihr seyd bei frohem Muth! –
Der Kaiser ist mein Bruder, und meint es stets mir gut!“[1]

„Ihr sprecht, so wie’s gewesen;“ – versetzt der Herold drauf, –
„Herr Otto liegt im Banne; – mich schickt ein Hohenstauf!

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Es ist der zweite Friedrich, der Euch entbeut dies Wort,

Die Pfalz ist Ludwig von Wittelsbach verlieh’n auf
immerfort! –“

Mein ist die Pfalz nach Rechten!“ – grollt nun der alte Graf –
„Laßt uns im Krieg drum würfeln,[2] und sehn, wer minder traf;


  1. [491] Kaiser war damals Otto VI., des Pfalzgrafen bei Rhein Bruder, Heinrich des Löwen zweiter Sohn. – Was hier zum leichteren Ueberblick und durch dichterische Form bedingt auf Einen Moment zusammengedrängt erscheint, ergab sich, der Geschichte nach, im Verlauf mehrerer Jahre. Im November des Jahres 1211 nämlich, hatte bereits Papst Innocenz IV. König Otto IV., nachdem er ihn vor zwei Jahren zum Kaiser gekrönt, in den Bann gethan. Erst im Jahr 1212 am 6. Dezember ward Friedrich II. von Hohenstaufen, auf den schon früher das Auge der Wähler gefallen war, zu Mainz gesalbt. 1214 geschah die Schlacht bei Bowines in Flandern, die Otto’s letzte Hoffnung stürzte; 1215 wurde König Friedrich zu Aachen durch den Mainzer Erzbischof Siegfried zum Kaiser gekrönt, der Welfische Pfalzgraf Heinrich in die Acht erklärt, und dessen herrliche Rheinpfalz dem Herzog Ludwig von Bayern, dem Sohne Otto’s I. gegeben.
  2. [491] Der Krieg deßhalben, zwischen dem Bayernherzog und dem Pfalzgrafen, begann bald darauf, und währte länger, als in obigen Romanzen angedeutet ist. Herzog Ludwig verlor im Jahr 1215 die Freiheit und mußte gefangen von Schloß auf Schloß in der Rheinpfalz wandern, bis die Ehe zwischen seinem Sohne und des Pfalzgrafen Tochter, Agnes, die beiden Gegner versöhnte.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 485. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_485.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)