Seite:Badisches Sagenbuch II 561.jpg

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Frau Irma eingezogener als eine Wittwe lebte und sich außer ihren gottesdienstlichen Uebungen blos noch der Erziehung ihrer beiden Knaben widmete. Da besuchte sie eines Tages der Ritter von Asbach auf ihrer Burg und warb um ihre Hand, was sie aber auf glimpfliche Weise ablehnte. Dies hielt ihn jedoch nicht ab, seine Bewerbungen, und zwar immer zudringlicher, zu wiederholen, bis Frau Irma rund und bestimmt erklärte, sie werde niemals zu einer zweiten Ehe schreiten. Nun warf der ungestüme Dränger die heuchlerische Maske ab, die er als Schutzherr der Wittwe angenommen und ließ dieselbe wissen, sie habe nun keine andere Wahl mehr, als seine Hand oder seine Feindschaft, die auch ihre Söhne nicht verschonen werde.

Frau Irma wurde von Todesangst ergriffen. Gerne hätte sie das Leben für ihre Kinder hingegeben, allein das Opfer, welches sie bringen sollte, war größer. Nichts aber ist zu schwer für ein Mutterherz. Sie entschloß sich endlich, die Gattin des von ihr verabscheuten Mannes zu werden, nur bat sie, das Trauerjahr als Wittwe ganz vollenden zu dürfen, welche Bewilligung sie nur mit Mühe vom Ritter von Asbach erhielt.

Wieder gingen sechs Monate vorüber und der Tag rückte heran, an welchem Irma ihren Witwenschleier mit dem Brautgewande vertauschen sollte. Je näher aber der gefürchtete Zeitpunkt kam, desto unsäglicher ward ihre Qual. Sie zerfloß in Gebet und Thränen und verließ am letzten Tage vor der Vermählung kaum für Augenblicke die Schloßkapelle. Ihr Beichtvater sprach ihr Trost zu und ermahnte sie zum Vertrauen auf Gott, der ja dem Menschen nicht mehr aufzulegen pflege, als er zu tragen im Stande. Da ihr Leiden ein unverschuldetes sey, bleibe ihr ja der Troste eines reinen Gewissens. – Die Worte des frommen Priesters übten eine wunderbare Wirkung auf die gebeugte Frau, sie fühlte sich im Innersten erleichtert und verließ die Kapelle weit gefaßter, als sie dieselbe betreten hatte.

Noch am Abend des nämlichen Tages kam ein Pilger in das Dorf, welches in geringer Entfernung von Burg Angeloch lag. Der Mann war in einen langen, dunklen Mantel gehüllt; aus der zurückgeschlagenen Kaputze blitzten ein paar kühne Augen; das Haar schien frühzeitig ergraut; die Züge des Antlitzes waren fein, die Wangen von Wind und Wetter

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 561. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_561.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)