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Der Graf spricht: „Laßt nur gut es seyn,

Es darf Euch nicht erschrecken;
Noch schläft mein süßes Töchterlein
Und Niemand will es wecken!“

Und weiter gehn sie Beide stumm

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Und treten in die Halle,

Da stehn der Männer viel’ ringsum
In schwarzer Kleidung alle;
Sie stehen da und sprechen nicht,
Und schauen vor sich nieder,

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Bleich ist und starr ihr Angesicht,

Und regungslos die Glieder.

Scheu bleibt der Herzog stehn und spricht:
„Wie soll ich Dieses deuten?
So feiert man die Hochzeit nicht

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Mit stillen schwarzen Leuten!“

Der Graf spricht: „Laßt nur gut es seyn,
Es sind die Hochzeitgäste,
So wünschte sie mein Töchterlein
Bei ihrem Hochzeitsfeste!’“

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Und wieder still wird’s in der Hall’,

Stumm steht die bleiche Runde,
Da tönt herab mit dumpfem Schall
Der Schlag der Mittnachtstunde;
Und plötzlich klingt ein Grabgesang

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Von süßen Frauenstimmen;

In Thränen muß bei diesem Klang
Wohl jedes Auge schwimmen.

Da wird’s dem Herzog weh und bang,
Er frägt: „Was soll das heißen?

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Das ist kein hochzeitlicher Klang,

Das sind ja Grabesweisen!“

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 568. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_568.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)