Seite:Badisches Sagenbuch II 600.jpg

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Engel des Todes geleitete freundlich ihren Geist zu dem Reiche der Seligen. Oft durchschweifte, nachdem sie verschwunden war, der Jüngling düster und kummervoll die weite Gegend umher und suchte die Dahingeschiedene vergebens.

Da hielt er eines Tages Jagd mit seinen Hunden im buschigen Thale. Ein Wild sprang vor ihm auf, blieb aber sogleich stehen und sah ihn unverwandt und mit so traulichen Blicken an, daß er, gerührt, den schon gezückten Jagdspeer wieder zurückhielt. Das Thier schien ihm zu winken: er folgte nach, und es fühlte ihn zu einer Rasengruft, die er alsbald für die seiner Geliebten erkannte. Die Arme hatte sich selbst die dabei in einen Felsen geschnittene Grabschrift gesetzt und einige Bewohner des einsamen Thales hatten ihre Leiche darunter bestattet. Er warf sich auf den Hügel und näßte ihn mit heißen Thränen, während das Bild der Entschlummerten wie ein Engel des Himmels vor seine Seele trat.

Da kam plötzlich der reine Geist des Christenthums über ihn, und schnell war sein Entschluß gefaßt. Er pilgerte nach Worms und ließ sich von dem Bischof taufen. Darnach wieder in seine Heimath zurückgekehrt, baute er sich eine Hütte auf diesem Berge, wo er als Einsiedler heiligen Betrachtungen und Bußübungen lebte. Er ertheilte den Umwohnern fromme Lehren, erquickte den müden Wanderer mit Speise und Trank und geleitete den Verirrten wieder auf den rechten Weg durch die Wildniß. Weithin erscholl der Ruf seines gottseligen Wandels und zahlreiche Pilger kamen von allen Orten her zu seiner einsamen Hütte und holten sich bei ihm Trost und Stärke in den Drangsalen des Lebens. Als endlich der fromme Klausner ein hohes Alter erreicht und die Kräfte seinen Körper meist verlassen hatten, vernahm er einmal Nachts, wo Sturm und Regen tobte, ein Pochen an seiner Thüre. Er öffnete sogleich und in die kleine Zelle trat ein Wanderer von hoher schöner Gestalt; er trug ein schneweißes Pilgergewand mit lichtblauen Schleifen und aus seinen Augen leuchtete himmlischer Friede. Der Greis machte nun Feuer an, damit der Fremdling sich erwärme, setzte ihm Speise vor und verrichtete dann knieend und mit zitternder Stimme sein Nachtgebet. Aber staunend sah er jetzt beim Aufblicken, wie sein Gast, noch herrlicher als zuvor, das

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 600. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_600.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)