In jener goldnen, sonnenlichten Zeit,
Wo noch die Englein freundlich uns umschwebten,
Nur Liebesklänge durch die Fluren bebten,
Wo sternenhell, in stiller Einsamkeit,
Und Gottes Geist die Menschenwelt durchglühte; –
Schon viele hundert Jahr’ sind hingefloh’n; –
Da lebte, an bekränzten Moosaltären
Den eingebornen Gottessohn,
Der fromme Lukas. Buchenzweige woben
Zum Gotteshaus ihr schattenkühles Dach.
Fern hörte man des Neckars Welle toben,
Und zu dem lauten Wogenschlag
Des Sängers Lied, wie heilig Glockenläuten.
Durchs ganze Land erscholl die süße Kunde,
Und wo ein Herz im wilden Drange schwoll,
Wo eine Brust war banger Zweifel voll,
Da eilte man zu Lukas’ stiller Hütte;
Mit seinem Trostwort schwebte Himmelsruh’
Und Friede den zerrissenen Seelen zu;
Und fröhlich wallte aus des Haines Mitte,
So wogte man dahin von Jahr zu Jahr;
Schon wehen Silberlocken um sein Haupt,
Die Wange bleicht, die matten Schritte wanken,
Der Winter naht, die Eiche steht, entlaubt,
Es sinnt der helle Geist in stiller Freudigkeit
Grab, Tod und Ewigkeit – erhabene Gedanken!
Der Morgen flammt aus duft’gem Nebelschleier
In königlicher Herrlichkeit hervor;
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_604.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)