Seite:Badisches Sagenbuch II 638.jpg

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Der Sichelesacker.

Auf dem Reicholzheimer Bergfelde gegen Wertheim hielt man einst am Tage vor Mariä Himmelfahrt Aerndte. Als Abends das Fest eingeläutet wurde, hörten die Leute mit der Arbeit auf und ermahnten ein Mädchen, welches zu schneiden fortfuhr, dasselbe zu thun. „Es mag Gott lieb oder leid seyn, mein Acker muß noch heute fertig geschnitten werden!“ – antwortete das Mädchen, und arbeitete mit doppeltem Eifer fort. Nachdem sie den letzten Schnitt gethan, fiel sie plötzlich, zur Strafe für ihren Frevel, rückwärts in die Sichel und starb an der Wunde. Zum Andenken an diesen Vorfall wurde auf dem Acker ein Stein, mit einer darauf eingehaltenen Sichel errichtet, und daher kommt die Benennung des Platzes „Sichelesacker.“ Bei diesem Steine wächst kein Hälmchen Gras und wenn man ihn zudeckt oder entfernt, kommt er doch allemal wieder auf dem alten Platze zum Vorschein.

(S. Mone’s „Anzeiger etc.“ Jahrg. 1838.)


Die Kreuze oberhalb Reicholzheim.

Vor Zeiten gingen einmal neun bis zwölf Höhfelder Bursche mit einem schönen Mädchen von der Waldenhauser Kirchweihe heim. Auf der Höhe hinter Reicholzheim geriethen sie wegen des Mädchens, das Allen wohlgefiel, miteinander in Streit, wobei sämmtliche Bursche bis auf Einen, und auch das Mädchen, welchem sie den Kopf abhieben, getödtet wurden. Der am Leben gebliebene Bursche ging noch bis zur Gamburger Steige, wo ihn aber die Reue so heftig erfaßte, daß er sich selbst umbrachte. An diesem Platze nun, so wie an jedem andern, wo einer der Bursche gefallen, steht ein steinernes Kreuz, und ein hoher Stein, mit einem darauf eingehauenen Schwerte, da, wo das Mädchen umkam. Von dem obersten Kreuze bei Reicholzheim bis zum untersten, war das Blut wie ein Bach geflossen. Die dortigen Aecker haben von diesem Vorfalle den Namen „Die Streitäcker“, und wegen desselben ist die Waldenhauser Kirchweihe für immer aufgehoben. Bei den Kreuzen spukt es in manchen

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 638. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_638.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)