„Bringt der Durst mich nicht um, so werden mich hier die hungrigen Wölfe zerreißen;
O mein Weib! meine Kinder, ihr Lieben, ihr seyd bald Wittwe und klagende Waisen!“
Da tönt vom Himmel süßer Klang herab –
Er kennt am Klang sie, die den Frühgruß gab,
Die Glocke Wertheims ist’s, er hörts mit Beben;
Hell tönt sie fort – da wirft auf’s Knie er sich
Und betet aus des Herzens tiefstem Grunde:
O Gott, verzeih!“ ruft er mit blaßem Munde.
Und die Glocke sie senkt vor den Grafen sich hin und wandelt mit mahnendem Schallen
Ihm voraus in dem Wald und er lichtet sich bald vor ihr zu geräumigen Hallen.
Auf taucht nun der Mond, stets zieht sie voran, im silbernen Klange sich wiegend,
Nach Wertheims Thurm, der durch den leisen Flor
An des bekannten Thales Saum erscheinet –
Erschüttert tritt der Graf durchs hohe Thor
Bald in sein Schloß, wo Alles zagt und weinet.
Stillt rasch sein Anblick seines Weibes Klagen:
„Sey ruhig! Wenn die Glocke wieder klingt,“
– Ruft er, sie küßend, – „werd’ ich nie mehr jagen!“
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 653. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_653.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)