Seite:Badisches Sagenbuch II 655.jpg

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Und sag’ auch, welche Frauen?
O könnt’ ich Eine schauen
In Fülle, stolz und mild!
Dann wölbte sich mir farbenhell

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Das erkervolle Saalgestell

Ringsum als Wunderbild.

Du lächelst seltsam, Führer!
Bist du ein Geisterspürer
Und lebst in todter Zeit?

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Dein hohles Auge sah wohl gnug,

Doch um den Mund ein schlauer Zug
Führt mich jahrhundertweit.

Und nieder gehn wir, nieder,
Im Städtchen sind wir wieder,

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Der Dom, er schließt sich auf.

Getaucht in Licht und Lebenslust,
Muß ich hinab in Modergruft,
Und Särge stehn zu Hauf!

Und Ein Sarg ist noch offen;

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Vom Tagesschein getroffen

Spielt bleicher Sammt ins Roth;
Und schaurig ruht das Himmelslicht
Auf einem welken Angesicht
Voll unverwestem Tod.

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Aus Purpursammt und Seide,

Aus funkelndem Geschmeide
Dies Antlitz blühend sproß,
Und, schritt die Jungfrau durch den Saal,
So wars, als wenn ein Sonnenstrahl

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Durchs Bogenfenster floß.


Wie viele Leiern klangen,
Wie viele Klingen sprangen
Im Liebesstreit um sie!

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_655.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)