Seite:Band II - Der Osten (Holl) 252.png

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fand, seine geistliche Kraft vor der großen Oeffentlichkeit zu bewähren. Die Verfolgung unter Maximinus Daza veranlaßt ihn nach Alexandria zu gehen. Er drängt sich dort nicht zum Martyrium – zwischen den Zeilen hält Athanasius an dieser Stelle eine Verteidigungsrede zugunsten des Petrus von Alexandrien gegenüber den Melitianern –, aber er festigt durch seine Unbeugsamkeit den Mut der Gläubigen.

     4. c. 48–81. Gerade die Ausdehnung, die seine Tätigkeit gewinnt, stimmt aber den Antonius bedenklich. Er fürchtet in der Unruhe der Arbeit an anderen seine eigene Seele zu verlieren. Darum beschließt er nach seiner Rückkehr aus Alexandria, sich jetzt noch tiefer in die Wüste, in die völlige Einsamkeit zurückzuziehen. Eine göttliche Stimme weist ihm den Weg; ein Beweis, daß sein Vorhaben von Gott gebilligt wird. An dem Ort, wo er sich niederläßt, erneuern sich die Kämpfe mit den Dämonen und die geistlichen Begnadigungen. Wiederum kommt das Ringen damit auf den Höhepunkt, dass einmal eine dämonische Spukgestalt sinnenfällig vor ihn hintritt (c. 53).

     Auch diesmal ist es jedoch Gottes Wille nicht, daß das Pfund des Antonius vergraben bleibe. Ohne daß Antonius selbst etwas dazu tut, ja während er die Menschen flieht, wird sein Name überall bekannt. Notleidende aller Art strömen zu ihm; er wird „der Arzt“, der leibliche und der Seelenarzt, „für ganz Aegypten“. In einer langen Reihe von Wundererzählungen (c. 54–81) führt die Vita dies dem Leser vor Augen. Nun erst offenbaren sich die geistigen Gaben, die er im Umgang mit Gott gewonnen hat, in ihrer ganzen Stärke. Er vermag kraft seines geschärften Sinns für die unsichtbare Welt den Menschen ins Herz zu blicken, er kann die Macht der Dämonen in Krankheiten brechen, die Zukunft voherverkündigen; aber auch Häretikern und Philosophen gegenüber führt er, der Ungebildete, den Beweis des Geistes und der Kraft; selbst bis zum Kaiserthron dringt sein Ruf.

     5. c. 82–94. Die Vita hebt nachdrücklich hervor, daß Antonius währenddem die ernste Arbeit an sich selbst nicht versäumte. Ständig lässt sie ihn das Wort wiederholen, daß es gälte, jeden Tag mit der Askese von vorne anzufangen; und mit Bedacht erzählt sie gerade aus der letzten Zeit ein Gesicht des Antonius (c. 65), in dem ihm gezeigt wird, wie der Satan seine Seele hindern will, in den Himmel einzugehen. Aber sie kann auch zugleich Gewißheit darüber geben, daß Antonius ans Ziel gelangt ist. Gott selbst hat ihm, wie seine Stunde kommen sollte, sein nahes Ende geoffenbart[1]. So hatte er Zeit, sich zum Sterben zu bereiten und seinen Schülern noch die letzten Mahnungen, auch Anweisungen bezüglich seiner Bestattung zu erteilen.

     Worin besteht nun das Unterscheidende dieser Darstellungsform? Zunächst darin, dass hier die Lebensbeschreibung das Mittel ist, um ein Ideal zu veranschaulichen[2]. Die Höhe des Ziels wird gezeigt, indem der Held Stufe um Stufe dazu empordringt. Damit ist auch gegeben, daß die Erzählung ihren Schwerpunkt am Schluß hat. Dies um so mehr, als das Ziel zuletzt nicht in dem Helden selbst, sondern außer ihm, in einem Jenseitigen liegt. Die Frage, um die sich alles dreht, ist, ob Antonius zum


  1. c. 89, 968 A: προσµαθὼν παρὰ τῆς προνοίας περὶ τῆς ἑαυτοῦ τελευτῆς.
  2. Prooem. 837 B: ἔστι γὰρ µοναχοῖς ἱκανὸς χαρακτὴρ πρὸς ἄσκησιν ὁ Ἀντωνίου βίος.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Holl: Die schriftstellerische Form des griechischen Heiligenlebens. J. C. B. Mohr, Tübingen 1928, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Band_II_-_Der_Osten_(Holl)_252.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)