Seite:Band II - Der Osten (Holl) 273.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

erscheint es als eine paradoxe Tatsache, daß diese Richtung überhaupt Bedeutung, ja sogar die höchste Bedeutung für die Kirche erlangen konnte[1]. Wirklich hat auch nicht etwa das Mönchtum die Kirche, sondern die Kirche hat das Mönchtum gesucht. Ja gerade von der Seite her, wo man zunächst Widerstand oder Eifersucht erwarten sollte, von seiten der offiziellen Kirche, wird das Mönchtum von Anfang an begünstigt und mit Ehren bedacht. Schon in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts sehen wir, daß man Mönchen mit Vorliebe kirchliche Würden, namentlich die Bischofswürde verlieh. Das Mönchtum verhielt sich lange spröde: von dem Einsiedler Ammonios wird uns erzählt, daß er sich das Ohr abschnitt, um nicht Bischof werden zu müssen, Athanasios schreibt einen langen Brief an Drakontios, um ihn davon zu überzeugen, daß er nichts verliere, wenn er Bischof werde, und noch Johannes Xiphilinos, der 1064 vom Mönch zum Patriarchen von Konstantinopel erhoben wurde, gibt seinem Freund Psellos auf dessen Glückwunsch zur Antwort: nicht ein hinaufsteigen, sondern ein herabsteigen sei es, wozu er sich jetzt entschließe. Wie begehrt Mönche für kirchliche Stellungen waren und wie wenig die genuinen Vertreter des Standes auf diese Würden Wert legten, erkennt man am besten daraus, daß in den Mönchsregeln seit Basileios vor ehrgeizigem Trachten nach kirchlichen Würden gewarnt wird.

Um dieses Werben der Kirche zu verstehen, muß man sich vor allem daran erinnern, daß es auf dem Konzil von Nikäa abgelehnt worden war, den Cölibat dem Klerus aufzuerlegen. Die griechische Kirche hat sich auch später nicht dazu entschließen können, so weit zu gehen wie die abendländische. Seit Justinian, dessen Gesetz mit einer nicht unwesentlichen Milderung durch das Trullanum (692) bestätigt wurde, ist vom Bischof, aber auch nur von ihm gefordert, daß er ehelos sein müsse. Vom kirchenpolitischen Standpunkt aus betrachtet war das ein schwerer Fehler. Bei der allgemeinen Hochschätzung der Virginität, in einer Zeit, in der so viele ihrem Glauben dieses Opfer brachten, war die Möglichkeit, moralische Auktorität zu entfalten, durch den Besitz dieses Vorzugs wesentlich mitbedingt. Wenn er seine Gewänder abgelegt hatte, schien der Priester um nichts höher zu stehen als die Laien, ja hinter vielen stand er zurück. Dieser Mangel war ein Hauptgrund, warum in der griechischen Kirche das persönliche Ansehen des Mönchs das des Priesters so weit überflügelte[2]. Selbst dem Bischof, der früher verheiratet gewesen war, haftet im Vergleich mit dem Mönchsbischof noch ein gewisser Makel an.

Es ist daher begreiflich, daß die Kirche nach Kräften darnach trachtete, es in der Praxis wenigstens zu erreichen, daß möglichst viele ihrer Organe dem jungfräulichen

  1. [Der Kirchenbegriff ändert sich. Man hält in dieser Form wenigstens das ursprüngliche Ideal fest. Dies eigentlich die Gründung einer zweiten Kirche! Hier aber auch Gütergemeinschaft durchgeführt, Troeltsch, Augustin S. 143 A. Seitdem ist auch die Kultur wieder einigermaßen Problem. Chrysost. in Dan. (auch gegen Schubert, der Ph. Meyer aufnimmt). Bedeutet mehr als die Alexandriner. Bei ihnen die Wirkung des Eindringens der Philosophie, Pistiker und Gnostiker in derselben Kirche. Durch das Mönchtum die Idee festgeschlagen, als ob der Kommunismus die eigentliche Verwirklichung des Liebesgebots wäre.]
  2. [Immerhin erst in Rußland daraus eine soziale Scheidung zwischen schwarzer und weißer Geistlichkeit.]
Empfohlene Zitierweise:
Karl Holl: Über das griechische Mönchtum. J. C. B. Mohr, Tübingen 1928, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Band_II_-_Der_Osten_(Holl)_273.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)