Seite:Band II - Der Osten (Holl) 274.png

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Stande angehörten. Gerade die höheren Würden sind womöglich Mönchen übertragen worden. Man darf es dem Mönchtum nachrühmen, daß es sich des Respekts, den ihm die Kirche erwies, würdig gezeigt hat. Nicht bloß, daß eine Reihe der selbstlosesten und hingebendsten Bischöfe aus diesem Stand hervorgegangen sind, es fällt, wenn man das Abendland vergleicht, den ganzen Stand betreffend auf, wie einfach hier der hohe Klerus lebt. Und in einer Beziehung namentlich war dieses Element der griechischen Kirche zum Segen. Die griechische Kirche war ständig davon bedroht, bloßes Werkzeug der kaiserlichen Politik zu werden. Gewöhnliche Patriarchen und Bischöfe zu gewinnen, war nicht allzu schwer; im Notfall war die σύνοδος ἐνδημοῦσα zu allem zu haben. Die Mönche hatten den Mut, zu widerstehen und, wenn es sein mußte, auch das Leben dran zu geben. Mag das Fanatismus sein, mochte es teilweise auf Beschränktheit zurückgehen, jedenfalls traten sie ein für eine Überzeugung, und sie sind darin achtenswert; achtenswerter mindestens als die, die sich feige oder aus eigennützigen Gründen beugten.

Aber weit mehr als auf diesen amtlichen Stellungen beruht der Einfluß des Mönchtums auf Beziehungen, die es sich in völlig freier Weise erwarb. Die geistlichen Gaben, die man dem Mönch zuschrieb, das Vertrauen, das man in seine Fürbitte setzte, bilden das Motiv für ein enges Verhältnis, das zwischen dem Mönchtum und dem gewöhnlichen Volk entstand. Schon die vita Antonii erzählt uns von ganzen Scharen, die zu Antonios pilgern, um sich sein Gebet und seinen geistlichen Rat zu erbitten. Als der in geistlichen Kämpfen Geübte gilt er für befähigt, die Geister zu scheiden, in die Tiefen des Herzens zu blicken und den inneren Zustand richtig zu beurteilen; von ihm, als einem, der mit Gott vertraut ist, erwartet man, daß er auch für andere wirksam einzutreten vermöge. Die Schilderung, die in der vita Antonii entworfen wird, ist keineswegs legendarisch; sie ist durch die zuverlässigsten historischen Berichte aus allen Zeiten bestätigt. Nachdem einmal der Glaube an die besonderen Gaben und Kräfte des Mönchs, an seine bevorrechtete Stellung bei Gott, sich festgesetzt hatte, da wendet sich das Volk an ihn als an seinen besten Berater und Mittler: bei großen und kleinen Unglücksfällen, bei Regenmangel und Heuschreckenplagen, in geistlichen und leiblichen Nöten nimmt man zum Mönch seine Zuflucht. Weit mehr als bei uns die Bettelmönche sind auf griechischem Boden die Mönche die Vertrauensmänner des Volks gewesen. Wie groß ihr Einfluß war, läßt sich am besten daran ermessen, daß die kaiserliche Politik diesen Faktor ernstlich in Rechnung nehmen mußte. Als Kaiser Anastasios 512 das Chalcedonense beseitigen wollte, hielt er es doch für gut, dem heiligen Sabas vorher bei Gelegenheit 2000 Goldgulden anzubieten; der gute Sabas hat in seiner Einfalt nicht gemerkt, was der Kaiser bezweckte, er hat es trotzdem riskiert, den Hyparchen, der in Jerusalem den Willen des Kaisers zu verkündigen unternahm, mit Schimpf und Schande aus der Stadt zu jagen. Dem palästinensischen Mönchtum zu lieb hat Justinian den Origenes verdammt; er wußte, daß die Ruhe in Palästina davon abhing, und welche Mühe hat sich im Bilderstreit Konstantinos Kopronymos (741–775) gegeben, um Stephanos den Jüngeren von dem abgelegenen Olympos für seine Wünsche zu gewinnen.

Aus dem Verhältnis, in das das Mönchtum zu der Bevölkerung der Umgegend trat, hat sich überall auch eine Mission entwickelt. Das Christentum hat im Orient

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Karl Holl: Über das griechische Mönchtum. J. C. B. Mohr, Tübingen 1928, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Band_II_-_Der_Osten_(Holl)_274.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)