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Zur Rechten zweigte ein Seitenweg zum stattlichen Schulhause ab. Bald darauf betraten wir das katholische Pfarrhaus in Alschwangen. Da der ältere Priester nicht zu Hause war, wandten wir uns an den jüngeren mit der Bitte, das Gotteshaus besichtigen zu dürfen. Freundlich geleitete er uns selbst zu der großen bequem eingerichteten Kirche. Drei Altäre zierten den Innenraum. Die Altarbilder waren Kopien nach Raphael (Mariä Himmelfahrt), Tizian und Rubens (Christus am Kreuz). Die fromme Hand der Gläubigen hatte die Altäre mit frischen Blumen geschmückt, doch waren deren Farben wie die Städter sagen würden, bauernhaft: grell-gelb (Son­nenblumen) und rot. Früher soll von der Kirche unter dem Teiche ein unterirdischer Gang zum Schlosse geführt haben. Im Gewölbe der Kirche waren Graf Schwerin und seine unglückliche Schwester bestattet, jedoch der Eingang zum Gewölbe vermauert. Jedesmal beim Passieren des Hauptaltars fiel unser Führer auf die Kniee und betete. Von Geburt war er ein Litauer, daher war es ihm nicht schwer geworden, die lettische Sprache zu erlernen, die er ganz gut beherrschte Als wir von der Kirche zum Pfarrhause zurückgekehrt waren zeigte er uns einen in einem Grabe gefundenen metallenen Ringgürtel. (Dieser Art Gürtel sind vor vielen Jahrzehnten von Mädchen auf dem Lande getragen worden; vergl. Be­schreibung des Gouvernements Kurland, Mitau, 1805, Seite 104.) Da wir uns für die Tracht der Einwohner interessierten, schenkte er uns ein rot, gelb und schwarz gefärbtes Wolltuch, wie es zur Zeit am Orte getragen wurde. Das Tuch hatte eine Magd für eine gehaltene Messe dem Priester anstatt Zahlung gegeben. — Auf dem Wege zum Schlosse gingen wir beim früheren Gemeindelehrer an, der uns einige interessante

Empfohlene Zitierweise:
Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/112&oldid=- (Version vom 20.8.2021)