Seite:BaumannImGottesländchen.pdf/121

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Nach Pilten.

Meine Absicht war, über Pilten Windau zu erreichen und von dort, um eine Seefahrt kennen zu lernen, mit dem Schiffe nach Riga zurückzukehren. Doch sollte es anders kommen. — Von Edwahlen führte der Weg anfangs durch eine schöne bergige Gegend, wo viele Gehöfte und Felder zu sehen waren. Dann wurde der Boden ebener, und wersteweit ging es durch einen Fichtenwald, wo man keinem Menschen begegnete. Der Himmel war bewölkt. Es war recht warm und im Walde windstill. Nachdem ich 10 Werst gegangen war, kam ich auf die Goldingen-Windauer Landstraße hinaus, wo bald rechts der Neuenkrug lag. Auch hier war überall nur Wald zu sehen. Nach kurzer Rast schlug ich einen nahen Seitenweg nach Pilten ein, der wieder durch schönen Wald, wo prächtige Schwarzbeeren wuchsen, führte. Auf einer Lichtung weidete ein Knabe singend das Vieh. Der Weg führte zur Windau, die hier schon größer als bei Goldingen war, da sie die Gewässer der Abau aufgenommen hatte. Beim Flusse lag das Zihrul- (Lerchen-) Gesinde. Ein alter tahmischer Fährmann setzte mich über. Bis Pilten waren es noch gegen 6 Werst. Diese ganze Strecke ging der Weg über flaches Land, wo dichtes Wacholdergestrüpp den Boden bedeckte. Am Wege selbst lag kein einziges Gehöft; weiterhin seitwärts ließ sich Wald sehen. Überall vernahm ich das Klimpern der Blechkästchen, mit denen an Stelle von Herdenglöckchen das hier frei weidende Vieh versehen war. Als ich mich in der Abendstunde Pilten näherte, kam die feurige Sonne zwischen den Wolken zum Vorschein, und schöne Wolkengebilde, verschiedenartig gefärbt, bedeckten den Himmel. Am Horizonte sah ich einen Kirchturm und Häusergruppen auftauchen : das war Pilten. Gar seltsam wurde es mir zumute, als ich durch die öde Gegend beim Lichte der purpurnen Abendsonne

Empfohlene Zitierweise:
Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/121&oldid=- (Version vom 20.8.2021)