Seite:BaumannImGottesländchen.pdf/15

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Kirche und dem Friedhofe hinaufstieg. Die steinerne 1736 erbaute Kirche war klein und schlicht. Dort hatte man einen weiten Ausblick. Unten lag Kandau, ringsum wogten Roggenfelder, hinter denen in einem kleinen Seitentale das rote Dach des örtlichen Krankenhauses zu sehen war. In der Ferne erblickte man das Abautal: grüne Fluren und Wald, dazwischen lieblich gelegene Häuserchen. Dem Kirchhofsberge

gegenüber, durch einen Teil des Städtchens von ihm getrennt, erhob sich am Rande des Tales der Schloßberg mit dem letzten Reste der Schloßruine. Hier hat einst die 1254 erbaute Burg der Deutschordensritter, während der Blüte des Ordens im 14. und 15. Jahrhundert eine Zierde der Gegend, gestanden. In der Geschichte Kurlands hat sie eine nicht unbedentende Rolle gespielt. Die Kuren[1], die das kurische Unterland bewohnten, waren im Jahre 1230 durch den päpstlichen Legaten Balduin von Alna für das Christentum gewonnen worden, aber bald darauf vom neuen Glauben abgefallen. Da wurde ihr Land um die Mitte des 13. Jahrhunderts mit Waffen­gewalt erobert, wobei auch am Fuße dieses Schloßberges schwere Kämpfe stattfanden. Die neue Ordensburg, die sich hier erhob, wurde der Sitz eines Vogtes, der mit starker Hand die bezwungenen Kuren im Zaume hielt. Die stattliche Ruine des Schlosses hat noch bis 1840 gestanden, in welchem Jahre ihre 9 Fuß hohen, den Einsturz drohenden Mauern abgetragen werden mußten. Jetzt waren von der Ruine nur noch wenige Reste übrig. Von der höchsten, halbzerfallenen dicken Mauer

  1. Die Frage nach der Nationalität der Bewohner des jetzigen kurischen Unterlandes zur Zeit der deutschen Eroberung ist schwer zu entscheiden. Im Innern des Landes wird wohl das lettische und in den Küstengegenden das livische Element vorherrschend gewesen sein. Der tahmische Dialekt (in Windau, Dondangen und anderen Gegenden) ist vielleicht aus einer Mischung des Lettischen und Livischen hervorgegangen.
Empfohlene Zitierweise:
Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/15&oldid=- (Version vom 9.3.2019)