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Mühsam brachen wir uns durch das dichte Tannengestrüpp des Erlenwaldes Bahn, denn ein Weg führte nicht hindurch. Im Walde fiel mir eine Gruppe schlanker Birken auf, die im Winter vom tiefen Schnee[1] ineinandergebogen worden waren, infolgedessen sich im Frühlinge und Sommer die sprossentreibenden Zweige ineinander verflochten und auf diese Weise eine natürliche Waldlaube gebildet hatten, aus der nur noch die kleinen, struppigen Tannen hätten entfernt werden müssen. Hinter dem Walde lag auf der Wiese, die „Discha atmatta“ (großes Brachfeld) hieß, der zur Hälfte aus dem Boden ragende Teufelsspurenstein (lettisch Wällna pähdu akmens). Es war einer von jenen erratischen Blöcken, die sich in den meisten Gegenden des kurischen Unterlandes zerstreut vorfinden. Sie sind vor Jahrtausenden durch Gletscher drüben auf den skandinavischen Felsengebirgen losgelöst und darauf über das Meer, das damals diese Gegenden bedeckte, hierhergetragen worden. Als das Wasser gefallen und der Gletscher unter der Einwirkung der Sonne zerschmolzen war, blieb der Stein auf dem morastigen Grunde liegen. Mit der Zeit war aus dem Moraste Wiesenland geworden, wo jetzt der Stein mit noch einigen kleineren im Grase gebettet lag. So ungefähr berichtet uns die Geologie. Der alte Volksgeist aber, dem diese Tatsachen verborgen waren, hat auch die Herkunft dieser Steine mit Sagen umwoben. An vielen Orten erzählt sich das Volk, daß einst der Teufel in der betreffenden Gegend gelaufen sei, wobei er seinen Sack mit großen Steinen habe fallen lassen, um besser vor dem guten Geiste fliehen zu können. Auf dem Steine, bei welchem wir standen, hat man früher den Abdruck des rechten menschlichen Fußes sehen können. Hier sei der Teufel

  1. Dieser soll hier noch im Juli in den Waldschluchten stellenweise zu finden sein.
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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/40&oldid=- (Version vom 12.12.2020)