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und lange Steingebäude hin. Stille und Schweigen ringsum. Geradeaus sah man zwischen großen Bäumen sich etwas Weißes bewegen, als ob dort Waldesgeister in wirrem Gemenge durcheinanderwogten: es war der Nebel auf dem von Laubbäumen umschatteten Teiche. Bei der Apotheke, wo der Doktor wohnte, hatte unsere Nachtfahrt ein Ende.

3. Juli. Um das alte Schloß von Dondangen hat sich ein Kranz von Sagen gebildet. Über seine Entstehung berichtet uns eine Sage folgendes : „Wo jetzt Schloß Dondangen liegt, war früher ein Berg. (Das war damals, als noch über die Liven und Tahmen in dieser Gegend ein König herrschte.) Einst hütete ein Knabe bei dem Berge Schweine. Plötzlich verschwand ihm der schwarze Eber. Der Knabe suchte ihn überall, konnte ihn aber nirgends finden. Gegen Abend kroch das Tier aus einem versteckten Loche am Fuße des Berges hervor und hatte sich so vollgefressen, daß es sich kaum weiter bewegen konnte. Von Neugier getrieben, kroch der Hüterjunge gleichfalls ins Loch tief hinein und gelangte in eine große Höhle mit Kornkasten und Ställen, in denen Pferde und Kühe standen, die aber alle ohne Leben waren. Hinter den Ställen erblickte er eine prächtige Burg. In den Zimmern saßen an gedeckten Tischen viele Menschen, aber auch diese waren ohne Leben. Als er am Abend zu Hause vom Gesehenen erzählte, glaubte ihm niemand. In der Nacht erschien ihm im Traume ein alter Mann und sagte, er solle am folgenden Tage wieder in die Höhle hineinkriechen, in die Burg gehen, auf den Turm steigen und die beiden dort hängenden Glocken läuten, sich aber gut merken, wie sie klängen. Der Knabe tat es, und die Glocken schienen ihm dun-dang[1]

  1. Dondangen heißt auf lettisch Dundanga, das wohl auf Duhndanga oder Duondanga zurückgeht, was „Schilfwiese“ bedeutet. Duonis: Schilf; duhnji (ein Plural): Schlamm, Seegras.
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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/48&oldid=- (Version vom 12.12.2020)