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spricht, ist dieser Dialekt nach dem witebskischen Lettisch wohl der unverständlichste. Ich mußte sehr genau hinhören, um die verschluckt, gestoßen und hastig hervorgebrachten Worte der guten Seele zu verstehen. Diese Mundart scheint besonders reich an gebrochenen und gestoßenen Lauten zu sein. [1] Am Ende des schönen Waldweges bog ich nach links ab. Durch Fichtenwald, vorüber an einem Bächlein, über große Wiesen, wo Heu gemäht wurde und es sehr stark nach der See „roch“, deren Rauschen ich zu vernehmen glaubte, gelangte ich zum hier sehr breiten, heimatlichen Dünenwalde, wo sich bald das wogende Meer vor meinen Blicken auftat. Dort setzte ich mich bei den Dünen hin und schaute hinaus auf die bewegte, schäumende Flut. Traulich klang mir das Rauschen der Wellen. Die goldene Sonne neigte sich dem Horizonte zu und sandte ihre letzten Strahlen über das Meer. Der Wind wiegte über mir die Wipfel der Fichten. Ringsum winkten gar heimlich die duftigen, weißen Strandnelkchen. Am Ufer flatterten Möwen. Es ward mir so wohl, so traut zumute. Ich dachte an so manches, was dem Herzen teuer war, an die selige Zeit der Kindheit, wo der Knabe am Rigaschen Strande oft mit Sehnsucht hinausgeschaut hatte nach den fernen Bergen und den in blassem Duste verschwimmenden Gestaden Unterkurlands. Jetzt war sein Sehnen in Erfüllung gegangen, jetzt weilte ich an jenem fernen Strande, wo sich schon bald die Fluten des Heimatmeeres, des Rigaschen Busens, mit denen des großen Baltischen Meeres vereinigten.

Es wurde Abend. Die Gegend, wo ich mich befand, war unbewohnt. Daher ging ich längs dem sandigen Ufer nach links zu. Bald mußte ich auf einem Bretterstege einen

  1. In einem Hefte der „Ssähta, dabba un passaule" (Hof, Natur und Welt) hat Fr. Karkluwalks, ein Sohn der Dondangenschen Gegend, in Form von Gedichten sehr gelungene Proben dieser Mundart veröffentlicht.
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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/53&oldid=- (Version vom 12.12.2020)