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abzubiegen. Eine Allee führte zum Parke. Das Herrenhaus mit dem altmodischen Äußern mochte noch aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammen. Von der Schloßterrasse hatte man eine weite Aussicht auf den Park und das schöne Abautal mit der Kirche und den Gebäuden drüben bis zum Walde hin, der das Tal begrenzte. Im Garten wurden auch Wein und Aprikosen gezogen. Im 17. Jahrhundert soll hier ein Jagdschloß Herzog Jakobs gestanden haben, aus welcher Zeit noch die Überreste der großen in Form eines Vierecks um das Schloß sich hinziehenden Mauer stammen mochten. Nachher soll der Herzog dieses Schloß gegen Usmaiten eingetauscht haben und seitdem Rönnen ein Privatgut sein. Bei einer Laube oder, besser gesagt, einem Schutzdache standen sehr alte Bäume. Eine Eiche war gewiß ihre fünfhundert Jahre alt. Der Park zog sich ins Tal hinab. Unten lag ein großer verwachsener Teich mit einer Insel. — Später zeigte mir der Küster das gefällige Innere der Kirche. Am Sonntage vorher hatte der Blitz den Kirchenturm stark beschädigt. Noch jetzt sah man die Spuren davon, denn an einer Stelle war oben unter dem Dache das Sparrenwerk ganz zersplissen und unten von der großen hölzernen Eingangstür ein Stück herausgerissen worden. Die Kirche ist auf des letzten kurländischen Herzogs Peter Biron Initiative an dieser Stelle 1785 errichtet worden und hat 1880 ihren schönen Turm erhalten. Dort hing oben eine Glocke, die wohl noch in der älteren Kirche gehangen haben wird, da ihre Inschrift besagte, daß „Catharina Becker, Wittibte Frau Pastor“ sie „anno 1725“ gestiftet habe. — Von der Kirche führte mich der Küster zur größten Sehenswürdigkeit Rönnens, dem Waldate Wasserfall beim Pastorate. Wir gingen längs einem Kornfelde, und nichts ließ mich die Nähe des Falles ahnen, bis ich plötzlich am Rande einer Felsenwand, wo tief unten in einer Schlucht der Wasserfall tosend rauschte, über­rascht

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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/87&oldid=- (Version vom 13.12.2020)