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Noch hatte die Morgensonne den Nebel nicht verscheucht, der Ufer und Wald umfing; daher erschien noch alles in der Ferne weiß und verschwommen. Auf der Flut zeigte sich kein Leben. Freie Jagd und Fischerei sollen die Zahl der Wildenten und Fische sehr verringert haben. Die Ufer und Inseln strecken mehrere Ausläufer (der Lette sagt „Hörner", raggi) in den See hinaus. So passierten wir, über die große freie Mitte (lett. liela ährta) fahrend, das Schilfhorn, einen Ausläufer des Fichtenhornes auf dem Fischholme. Diese Insel lag uns zur Linken. Dort sah man auf der Wenterdanga (Netzwiese) am Ufer eine Vorrichtung zur Gewinnung von reinem Sande für die Glashütte in Osoln. Zwischen dieser und der kleinen Ellerninsel hindurchfahrend, näherten wir uns jenseit derselben dem sich poetisch aus der Flut erhebenden, von Laubbäumen beschatteten Moritzholme, lett. Moritzkalwa genannt. (Sonst heißt Insel im Lettischen „Ssalla“, nicht „Kalwa“.) — Diese Insel hat vor Jahren in der Geschichte Kurlands eine gewisse Rolle gespielt. Daher sei es uns erlaubt, die betreffende Stelle aus Cruses Geschichte Kurlands anzuführen. Nach dem Tode des Herzogs Friedrich Wilhelm, der eine russische Großfürstin zur Gemahlin hatte und mit dem der Mannesstamm des Kettlerschen Hauses erlosch, wurde Prinz Moritz von Sachsen zum Herzoge von Kurland erwählt. Die russische Regierung erkannte jedoch die Wahl nicht an und entsandte zur Entscheidung der kurländischen Frage eine Kommission nach Mitau. „Der Graf Moritz hatte bei Ankunft der Kommission Mitau (September 1727) verlassen, war aber noch in Kurland geblieben, bis er, die Unwirksamkeit des Widerstandes erkennend, der Übermacht wich, ohne seine Rechte aufzugeben. Es waren die russischen Truppen unter Bibikow und Lasy, die ihn verfolgten. Da ihn niemand mehr aufzunehmen wagte, zog er sich mit einem kleinen Gefolge auf eine Insel des Usmaitenschen Sees zurück, die seitdem den Namen Moritzholm führt.

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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/98&oldid=- (Version vom 21.8.2021)