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graßreichen Wiesen, welche damals die Quelle noch umgaben. Er harrte lange; dunkler glühten die Abendwolken, bis ihr Schimmer allmählig in Dämmerung und Nachtgrau sich auflöste. Rings um herrschte Grabesstille, die Sänger auf den Zweigen schwiegen, das müde Roß streckte sich ins hohe Gras; schon trat hinter einer dunkeln Wolke der Abendstern hervor und immer dunkler und immer stiller wurde es rings umher.

Am Nachmittage hatte Siegismar, der Vieltreue, den hohen Wartthurm des Schlosses Mühlberg bestiegen, von welchem man die entzückendste Aussicht in die Umgegend hat, da er noch bis heute steht; wohlverproviantirt saß er da oben, und spähte nach dem Ritter, um zu sehen, wo er herkäme; lange hatte er vergeblich nach ihn umgeschaut, da endlich, als die Sonne untergegangen war, sah er ihn hastig fernher gejagt kommen, und an der Quelle absteigen; schnell war der Entschluß des Wackern gefaßt, noch einen Blick auf den Ritter, ob er es wirklich sey, noch einen Becher Wein zur Stärkung, und langsam und bedächtig, wie er immer war, stieg er die Leitern herab.

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Ludwig Bechstein: Thüringische Volksmährchen. Carl Fleck und Comp., Sondershausen 1823, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bechstein_Th%C3%BCringische_Volksm%C3%A4hrchen_1823.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)