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Bemerkungen auf einer Reise an der Nordgrenze von Schwaben.[1]

So bald man aus den preußischen Fürstenthümern in Franken den Fuß über die schwäbische Gränze hereinsetzt, stößt man sogleich auf französische Truppen-Abtheilungen, und in jedem Dörfchen findet sich eine kleine republikanische Garnison. Die Einwohner kommen einem überall mit Klagen über diese Gäste entgegen, und es bedarf nur eines kurzen Aufenthalts, um sich zu überzeugen, wie gegründet die letztern sind. Man hat den Schaden der schwäbischen Kreislande, seit der Eröffnung des unglücklichen Feldzuges von 1800 bis jetzt auf 30 Millionen Gulden angeschlagen; eine Summe, die eher zu niedrig, als zu hoch ist. Hundert Jahre werden nicht zureichen, den Verlust dieses einzigen zu ersetzen; und keine Zeit löscht vielleicht das sittliche Verderben aus, das durch die Franzosen über dieses Volk verbreitet wurde, dessen Moralität sonst Vergleichungsweise in einem sehr guten Zustande war.

Wenn man längst der Jaxt herauf in Schwaben eintritt, so kömmt man zuerst nach Ellwangen, der Hauptstadt des geistlichen Fürstenthums [WS 1] gleiches Nahmens, dessen Besitzer bekanntlich der Kurfürst von Trier ist. Dieses Städtchen ist wohl gebaut, und macht eine heitere Miene; aber desto finsterer sieht es in den Köpfen seiner meisten Bewohner aus. Hier hat einst Gaßner sein Wesen getrieben, und noch giebt es nicht wenige Gläubige, die ihn, mit Lavatern, für einen „Knecht des Herrn“ halten. In Ellwangen besteht kein Leseinstitut, und keine öffentliche Bibliothek, und das Gymnasium ist eine zerfallene Ruine aus der Zeit des Jesuitismus. Dagegen finden sich Kirchen, Kapellen und Wallfahrts-Orte im Ueberfluß, und der herrschende Geist der Hierarchie brandmarkt die Aufklärung als ein Verbrechen. Einige wenige mit den Progressen der Literatur gleichen Schritt haltende gute Köpfe abgerechnet, liest man nichts, als den Pater Kochem, das mit stumpfen Lettern auf Löschpappier gedruckte Wochenblatt, und den – Neuwieder[2], der hier in Absicht auf Politik, für Klein und Groß, der autor classicus ist. Demungeachtet hat die Stadt einen Schriftsteller, in der Person des Grafen von Etzdorf, der den Charakter eines kaiserlichen Geh. Raths und die Würde eines Comitis palatini vom ersten Range besitzt. Er schrieb: Ueber den Verfall der Religion; Englische Nächte; Statistische Tabellen, – Reisen durch Schwaben und Franken, u. dergl. – Da er aber seine Schriften immer auf eigene Kosten drucken ließ, und nicht auf dem Wege des gewöhnlichen Buchhandels vertrieb: so sind sie nur in der Nachbarschaft ihres Geburtsorts bekannt geworden, und auch der Nahme dieses gräflichen Schriftstellers fehlt


  1. Vor dem Abmarsch der Franzosen geschrieben.
  2. Die Neuwieder Zeitung

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Fürstenthtums