Seite:Bemerkungen zu Gregor von Tours kleineren Schriften.pdf/23

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

am deutlichsten das Grundprinzip aller mythologischen Anschauung, die großen Unterschiede, welche die Klassen der Wesen und die Entwickelungsstadien im Leben trennen, zu verwischen. Verwandt mit diesen Sagen aber nicht zu verwechseln sind jene, welche von Geistererscheinungen nach dem Tode, in denen das Los im Jenseits sich offenbart, berichten. Ein klassisches Beispiel findet sich in der Rolandsage, das sich bis in Italien erhalten hat. In der Spagna rimata klagt Karl vor der Leiche Rolands in Roncesvalles stehend diesen an, daß er ihm nicht, wie er versprochen, das Schwert Durlindana wiedergegeben habe. Da erhebt sich Roland, giebt Karl das Schwert in die Hand und sinkt wieder hin (XXXVI 6). So war nach Gregor St. Gallus in der Kirche zu Clermont aufgebahrt. Magnum ibi miraculum ostensum fuit, quod sanctus dei, adtracto dextro pede in feretro, se in aliud latus, quod erat versus altari, contulit (Patrum VI 7). Ein Mann steht am Grabe seiner Frau, die eben in Clermont in der Basilika beigesetzt wird und dankt Gott quod, sicut mihi eam conmendare dignatus es, ita tibi reddidi ab omni voluptatis contagio inpollutam. Da lächelt die Tote und sagt: Sile, sile, vir Dei, quia non est necesse, fatearis nostrum, nemine interrogante, secretum. Nach einiger Zeit wurde auch der Mann ebenda begraben, aber an einer anderen Wand. Am anderen Morgen fand man die Gräber nebeneinander (Conf. 31). In Dijon wurde die Frau eines Senators Helarius in dem Grabmal ihres Mannes begraben, subito elevata viri dextera conjugis cervicem amplectitur (41). Hierher gehört auch wohl die Erzählung von den zwei befreundeten Priestern in Bouillac bei Bordeaux. Der eine ist an der nördlichen, der andere an der südlichen Seite begraben und beim Chorsingen erhebt jeder seine Stimme mit dem ihm zunächst befindlichen Chore vereint (46). Unklar ist der Fall des h. Nicetius in Lyon, dessen Stimme bei seinem Begräbnis einen blinden Knaben ermahnt, näher an die Bahre zu treten, weil es auch die Stimme einer Erscheinung sein kann (perlata est vox in aure ejus 60). Ebenfalls in Lyon hielt der h. Helius einen Leichenräuber nicht nur so lange an seinem Grabe fest bis Leute nahten, sondern bis der Richter dem Strafwürdigen wenigstens das Leben geschenkt hatte (61).

Eine sehr geizige Frau hatte Geld, das zum Loskaufen von Gefangenen bestimmt war unterschlagen und in ihrer Hütte vergraben, wo es nach ihrem Tode gefunden wurde. Der Bischof befiehlt das Sündengeld ihr ins Grab auf den Leichnam zu legen. Nec mora, nocturno tempore, audiuntur voces a tumulo, fletus et ululatus inmensus… Nach drei Tagen öffnet man das Grab wieder und sieht das Gold quasi in fornace resolutum in os mulieris ingredi cum flamma sulpurea. Der Bischof betet dann und die Klagen werden nicht mehr gehört (Martyrum 105). Allgemeiner berichtet De Nore 267 aus der Normandie: Un homme damné mange après sa mort le suaire qui lui couvre le visage, et ce malheureux pousse dans la tombe des cris sourds et effrayants. Wiederholt liest man, daß Särge plötzlich leicht oder schwer werden wenn der Tote an einem bestimmten Orte beigesetzt werden will oder nicht (Patrum VII 3, Conf. 74, Martyr. 88 u. a.). Wie die Unterschiede zwischen Mensch[WS 1] und Tier, Leben und Tod, sich in dem Mythos verwischen, so auch die natürlichen Eigenschaften der Körper. Anklänge findet man auch jetzt noch in Frankreich. Es kommt vor, daß der Sarg vor dem Kirchhof plötzlich schwer wird, ein Zeichen daß der Gestorbene ne se trouve point en état de grâce ou qu’il est damné ! Dans le premier cas, les prières… réussissent presque toujours à lever la difficulté… Le second cas se présenta il y a bien des années à Lacs. Alors on creusa la fosse aux

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Menseh