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Heinrich von Kleist: Das Bettelweib von Locarno. In: Berliner Abendblätter

treuen Bedienten, den sie mitgenommen hatten, in der That, in der nächsten Nacht, dasselbe unbegreifliche, gespensterartige Geräusch; und nur der dringende Wunsch, das Schloß, es koste was es wolle, los zu werden, vermochte sie, das Entsetzen, das sie griff, in Gegenwart ihres Dieners, zu unterdrücken, und dem Vorfall irgend eine gleichgültige und zufällige Ursache, die sich entdecken lassen müsse, unterzuschieben. Am Abend des dritten Tages, da beide, um der Sache auf den Grund zu kommen, mit Herzklopfen wieder die Treppe zu dem Fremdenzimmer bestiegen, fand sich zufällig der Haushund, den man von der Kette losgelassen hatte, vor der Thür desselben ein; dergestalt, daß die Marquise, in der unwillkührlichen Absicht, außer ihrem Mann noch etwas Drittes, Lebendiges, bei sich zu haben, den Hund mit sich ins Zimmer nahm. Das Ehepaar, zwei Lichter auf dem Tisch, die Marquise unausgezogen, der Marchese Degen und Pistolen, die er aus dem Schrank genommen, neben sich, setzen sich, gegen eilf Uhr, jeder auf sein Bett; und während sie sich mit Gesprächen, so gut es sein kann, zu unterhalten suchen, legt sich der Hund, Kopf und Beine zusammengekauert, in der Mitte des Zimmers nieder, und schläft ein. Drauf, in dem Augenblick der Mitternacht, läßt sich das entsetzliche Geräusch wieder hören; jemand, den kein Mensch mit Augen sehen kann, hebt sich, auf Krücken, im Zimmerwinkel empor; man hört das Stroh, das unter ihm rauscht; und mit dem ersten Schritt: tapp! tapp! erwacht der Hund, hebt sich plötzlich, die Ohren spitzend, vom Boden empor, und knurrend und bellend, grad’ als ob ein Mensch auf ihn eingeschritten käme, rückwärts gegen den Ofen, weicht er aus. Bei diesem Anblick stürzt die Marquise, mit sträubenden Haaren, aus dem Zimmer; und während der Marchese, der den Degen[1] ergriffen: werda? ruft, und da ihm niemand antwortet, gleich einem Rasenden, nach allen Richtungen, die Luft durchhaut, läßt sie den Wagen anspannen, in der Absicht, um nach der Stadt zu fahren. Aber ehe sie noch aus

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  1. Vorlage: De-
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Heinrich von Kleist: Das Bettelweib von Locarno. In: Berliner Abendblätter. Julius Eduard Hitzig, Berlin 1810, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Berliner_Abendbl%C3%A4tter_1810_041.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)