Seite:Beschreibung des Oberamts Kuenzelsau II 583.jpg

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Die Gemeinde besitzt ein Schafhaus und ein Armenhaus. Die frühere herrschaftliche Kelter, jetzt zur Scheuer umgewandelt, gehört hälftig der Pfarrei, hälftig Privaten.

Zwischen dem Pfarrhaus und dem Schulhaus liegen die Trümmer der einstigen Burg Jagstberg. Dieselbe wurde 1782 wegen Wassermangel bis auf den südwestlichen, massiv gebauten, 84’ hohen Thurm abgebrochen. Am 10. Juni 1822 wurde dieser ehrwürdige Zeuge der Hohenstaufenzeit, eine Zierde des ganzen Thales, dessen Gemäuer so fest war, daß es allen Abbruchsversuchen trotzte, mit dürrem Holz angefüllt. Durch die gewaltige Hitze wurde der Thurm auseinander gesprengt. Ein Theil fiel auf die Ruinen der Burg, ein anderer auf das Schafhaus der Gemeinde, welches vollständig zertrümmert wurde und von der Gemeinde mit einem Aufwand von 1600 fl. 1823 neu erbaut werden mußte. Als der Fürstbischof im Jahr 1785 die Reste der mächtigen, eben abgebrochenen Burg einsah, soll er im Zorn über die Beamten, welche den Abbruch veranlaßten, geäußert haben: solche Beamten sollte man hängen.

Das frühere Amtschreibereihaus ist jetzt Privathaus.

Die Einwohner sind im Allgemeinen von schlankem Bau. Am häufigsten ist Katarrh unter ihnen.

Fleiß herrscht vor. Der kirchliche Sinn hat sich in den letzten 20 Jahren gehoben, wie auch der Wohlstand des Ortes, der gegenüber den vermöglicheren Filialien zwar zurücktritt, aber im Steigen begriffen ist. Die engen Verhältnisse des auf einen beschränkten Raum zusammengedrängten Ortes wirken nicht ganz günstig.

Die alte Tracht ist abgegangen. Von Volksbelustigungen besteht nur noch die alte „Kirwe“, Sonntag nach Martini, und die Niederfallet. Früher war an diesen Tagen wie an der Fastnacht Tanz. An der Fastnacht wurde der Fastnachtsbutzen, ein Strohmann, der mit Fastenbretzeln behängt war, von den jungen Burschen in die Jagst geworfen, was die Mulfinger auch thaten, wobei sich meist Schlägereien zwischen den beiden Orten entwickelten. Seit den Jesuitenmissionen 1851 haben die Tanzbelustigungen aufgehört.

Von den Einwohnern ist ein Drittel wohlhabend, ein Drittel hat sein gutes und ein Drittel nur ein dürftiges Auskommen. Eigentlich Arme gibt es nur wenige. Der höchste Grundbesitz an Feld – Privatwald gibt es nicht – ist 90 M., der Mittelmann hat 50 M., die ärmere Klasse 20 M. Die Haupterwerbsmittel

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Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 583. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_II_583.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)