Seite:Beschreibung des Oberamts Kuenzelsau II 729.jpg

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der Ecke des Rathhauses gegen die schönthalische Kelter eine vom Volksmund Simson genannte Gestalt eines nackten Mannes mit Lendentuch, wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert.

Das bedeutendste und schönste Gebäude ist die etwas abseits von der Hauptstraße im untern Theil der Stadt gelegene Kirche zum heil. Laurentius, ursprünglich eine romanische Basilika mit 3 Schiffen, s. W. F. 7, 533. Der massige, viereckige Thurm im Osten bildet im untern Stock den Chor. In der Höhe von ca. 30′ ist er von einem kräftigen romanischen Gesims umfaßt. In der Höhe von 77′ folgt ein Holzgeschoß, auf dem ein 40′ hohes, schiefergedecktes Zeltdach sitzt. Auf dem Thurm hängen 3 Glocken. Die große Glocke hat die Inschrift in Majuskeln: Johannes. Lucas. Marcus. Mateus. Ave Maria, die kleine ebenfalls in Majuskeln die vier Evangelisten in derselben Ordnung. Die mittlere hat eine Inschrift in Mönchsschrift: Zu Gottes lob ehr und dienst gehorch. christof glockengießer zu nürnberg gos mich.

Auf der Westfront der Kirche ist das schöne romanische Portal, in dessen Tympanon sich das Reliefbild der Marter des hl. Laurentius befand, das bei der Restauration der Kirche 1872 leider herabgenommen und an die Ostwand des Thurmes verpflanzt wurde. Der Heilige liegt auf dem Rost ausgestreckt, zu seinen Häupten und Füßen kniet je ein Scherge, der das Feuer mit einem Blasebalgen schürt; über ihm schwebt ein Engel, der dem Heiligen den Schweiß abtrocknet, während ein Scherge ihn mit einer Zunge faßt. In der Laibung des Portals stehen 2 Halbsäulen und endigen rechts in rohen Laubkapitälen mit Diamantbändern, links in primitiven Köpfen. Das Kämpfergesims zeigt rechts einen ornamentirten Kopf, links einen Fisch mit einer Lilie. Neben dem Portal zeigen sich die zugemauerten Rundbogen eines einst gekuppelten Fensters. Über dem Portal befindet sich ein großes gothisches Fenster mit Konsolen an der Laibung, auf denen Wappenschilder angebracht sind, rechts ist das Wappen derer von Dürnau mit der Unterschrift Dirnav. Einer aus diesem Geschlecht, das in Nagelsberg Besitz hatte, war ohne Zweifel zur Zeit des Umbaus der Kirche mainzischer Amtmann. Der entsprechende Schild links ist leer. In der Fensterlaibung oben ist das Wappen von Mainz und Hohenlohe; in der Giebelspitze noch ein rundes eigenthümliches Fenster mit Diamanteinfassung. Das innen flach eingedeckte Mittelschiff war bedeutend höher als die beiden Seitenschiffe und hatte fünf

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 729. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_II_729.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)