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Derselbe geschieht entweder am Hochzeitstag oder den Tag zuvor, in den katholischen Orten den Tag darauf. Der Auszug darf nicht vor Mittags 12 Uhr geschehen, ebenso wenig die Trauung auf dem Lande. Zur Ausstattung gehören 2 gepolsterte Sessel, bei Bauern ein Sopha, der Glasb’hälter und der „Kammod“.

Die rechte Schmöllerin mußte auf dem Rocken, der mit Flachs und Spindeln wohl besteckt und mit Kinderkittelchen, Häubchen, Schühchen, Strümpfen von den Brautjungfern so behangen war, daß er einer Puppe glich, 3 Fäden spinnen, ohne einen Knopf zu machen. Riß der Faden, oder fiel die Spindel aus der Hand, so wars eine schlimme Vorbedeutung. Die linke hatte das Rädle, eine etwaige Dritte den Haspel. Im untern Jagstthal, mit seinen kleineren Verhältnissen, fährt das junge Paar auf dem Hochzeitwagen mit, die Verwandten hinten auf, welche beim Einzug ins Dorf Volkslieder singen.

Bei der Abfahrt wirft der Fuhrmann oder ein Hochzeitknecht ein eben geleertes Glas in das linke hintere Rad, daß es zerbricht. Nicht zerbrechen wird nicht gerne gesehen. Unterwegs darf nichts vorkommen, auch kein Hufeisen verloren werden. Das Brautpaar muß vor dem Hausrath das neue Haus betreten.

Das Ehebett wird von den Hochzeitmägden abgeladen und in fliegender Hast aufgeschlagen. Denn während dessen machen die Hochzeitknechte die Wiege los und suchen sie zu verstecken, Es entsteht zwischen Hochzeitknechten und -Mägden eine Rauferei. Sind jene Sieger, so wird die Wiege in einem Nachbarhaus, im obersten Balken der Scheuer oder im Keller versteckt. Der Sieg der Hochzeitknechte verheißt dem Brautpaar einen Sohn als Erstgeborenes. Die Braut setzt den rechten Fuß zuerst ins Haus, um einen „Glücksschritt“ zu machen.

Die Trauung folgt meist unmittelbar auf den Civilakt. Ehe es zur Kirche geht, essen die Brautleute von einem Teller und wechseln die Löffel, die sie mit zur Kirche nehmen (Bels.) oder trinken aus einer Tasse und wechseln die Weckschnitten, die der eine Theil eingetunkt und angebissen hat (West.). Trauung s. OA.Beschr. Mergentheim S. 162.

Im untern Jagstthal gehen dem Zug 2 Knaben voraus, dann folgen 3 Jünglinge, dann der Bräutigam in Mitten der Hochzeitknechte, dann die verheirateten Männer. Ähnlich geordnet, folgt der Zug der Braut, geführt von 2 Mädchen. Ist der Gottesacker um die Kirche, so geht der Zug erst um die Kirche; Alles betet ein stilles Vaterunser für die Entschlafenen und gedenkt der Treue bis zum Tod, welche das Paar sich gelobt. Verläßt das Paar seinen Platz im Kirchenstuhl, um vor den Altar zu treten, so muß ihn gleich ein Anderer einnehmen, daß keine Hexe sich hinstellt. In den katholischen Gemeinden empfängt nach der Trauung erst das Brautpaar, dann die Hochzeitgäste am Altar den geweihten Johanniswein (Berlich.).

Das Hochzeitessen (wie die Trauung) wird an dem Ort, „wo der Rauch aufgeht“, d. h. der künftigen Niederlassung und zwar im Haus, fast nie im Wirthshaus gehalten. Erst empfängt das junge Paar seinen Glückwunsch: I wünsch ich Glück in den Ehstand, daß Ihr reich und selig mit ananner werd, dann die Eltern mit den Worten: I wünsch Glück zu eura junge Ehleut, daß Ihr viel Freud’ und Ehr’ an enn erlebt.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_126.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)