Seite:Beschreibung des Oberamts Kuenzelsau I 293.jpg

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die Ganherrschaft wählte den Richter. Z. B. 1608 wird auch von den gn. Junkern und Herren ein Richter bestellt. Beim Amtsantritt gelobten sie dem Schultheißen, Recht zu sprechen Niemand zu Lieb und Niemand zu Leid. (Vierteljahrshefte II, 151. Burgfrieden von 1493.) Ihre Amtstracht ist der Mantel. Ihre Belohnung war 1489 bei den höchsten Bußen die Hälfte, bei den Freveln das ganze Strafgeld; später kam von den großen Bußen mit 3 fl. an den Richter 1/2 fl., von den Freveln mit 1 fl. aber 45 Pf. Zugleich waren sie frei von der Tag- und Nachtwache, obgleich die Gemeinde 1590 diese Freiheit anfocht, die von den Ganerben bestätigt wurde.

Die Verwaltung der Einkünfte und Anstalten lag in den Händen der Baumeister. Wenn in dem Vertrag der Gemeinde K. mit ihren Ganerben nach dem Bauernkrieg an der Spitze der Gemeinde ein Baumeister erscheint (W. F. 1848, 51), so ist dabei nicht an die Baumeister zu denken, sondern an einen aus der Kanzlei des Truchsessen, der die K. in Pflicht nahm, stammenden Ausdruck für Schultheiß. Schon nach dem Burgfrieden 1493 gab es 2 Baumeister, die vom Schultheiß nach Umfrage bei der Gemeinde am 2. Januar gewählt wurden auf ein Jahr und auf diesen Tag auch Schultheiß und Gemeinde Rechenschaft ablegten. Ihre Aufgabe ist zunächst, Brücken, Gräben, Zäune, Wege und Stege zu bessern und machen zu lassen und der Gemeinde Gebot und Verbot handzuhaben. Ebenso ist ihrer Fürsorge das Bachufer befohlen. Wichtigere Sachen mußten sie vor den Rath bringen. Für den Kirchbau wurde 1612 Hans Heygold, der bisher gemeiner Baumeister gewesen, als besonderer Baumeister bestellt. Dabei waren die Baumeister zugleich die Rechner der Gemeinde. Sie ziehen die Gemeindeumlagen ein, verleihen die Güter der Gemeinde, führen Aufsicht über den Wald. Ohne ihre Einwilligung darf kein Bürger (1608) auf seinem Grund und Boden einen „geschlachten“ und fruchtbaren Baum umhauen bei 2 fl. Wahrscheinlich hatten sie auch Waffen und Wehr der Bürgerschaft zu mustern.

Unter den Baumeistern standen die Viertelsmeister, welche die Viertelversammlungen leiten, bei öffentlichen Bauarbeiten die Bürger ihres Viertels beaufsichtigen, bauliche Schäden und Übertretungen den Baumeistern anzeigen. Sie erscheinen auch nebst 4 vom Gericht bei der Rechnungsabhör (1678).

Ebenso standen unter den Baumeistern die niedern Gemeindeämter, die wahrscheinlich aus der Zahl der Heimbürgen genommen wurden, die wohl mit den Vierundzwanzigern und Dreißigern (24 Heimbürgen, 4 Viertelsmeister und 2 Baumeister) identisch sind. Wenigstens gehörte der Hirtenmeister, der die Aufsicht über die Kuhhirten und Gaisenhirten etc. führte, zu den Heimbürgen.

Da die Richter mit Bagatellsachen vielfach überlaufen wurden, weil dafür nichts entrichtet wurde, so ward 1573 beschlossen, 2 geschworene Prokuratoren aufzustellen, welche die Sachen der Parteien vor Gericht vortragen sollten, damit die Richter zum besten und wichtigsten berichtet werden. Die Ganerben gaben ihre Zustimmung dazu. Jeder Prokurator erhielt 8 Pf., der Richter 10 Pf. von Bagatellsachen.

Die erste Beeidigung eines Prokurators wird erst 1597 erwähnt.

Die Gemeinde trat auf dem untern Rathhausboden zu Versammlungen zusammen, sonst kam sie in den Vierteln, Zünften und Brüderschaften

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_293.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)