Seite:Beschreibung des Oberamts Kuenzelsau I 294.jpg

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zusammen. Doch wurden nach dem Bauernkrieg alle Versammlungen verboten W. F 1848, 52. Schon im 15. Jahrhundert war die Bürgerschaft militärisch organisirt unter einem Hauptmann. Jeder Ausbleibende wurde bestraft. Das Banner verwahrte für gewöhnlich der Schultheiß, der es bei einem Ausmarsch dem Bannerträger übergab. Nach dem Bauernkrieg wurden alle Wehren abgefordert, aber bald findet sich wieder jedes Viertel zu einer Kompagnie vereinigt, deren jede eine Fahne hatte. Sie trugen Ober- und Untergewehr, hatten Pfeifen und Trommeln. 1603 ist auch bürgerliche Kavallerie mit 4 Trompetern erwähnt.

Die Bürgerschaft war im ganzen gut daran, sie zahlte wenig Steuer, die Gemeinde besaß an dem Wald schönes Grundeigenthum, so daß wenige Umlagen zu machen waren. Z. B. 1678 wurde beschlossen, jährlich 400 Rthlr. auf die Bürgerschaft umzulegen, solange der Krieg daure. Die Bürger erfüllte ein starkes Freiheitsbewußtsein, was sich manchmal den Ganerben gegenüber äußerte.

1693 waren es 328 Bürger und mit den Beamten und Geistlichen 390 Haushaltungen.

Jeder Neuheranziehende mußte dem Schultheißen geloben, Recht zu geben und zu nehmen (Gan. Rec. 1518).

Ausgewiesen durfte niemand werden ohne Wissen und Willen der Dorfherren, ausgenommen unrechte Frauen (Burgfr. 1499).

Manchmal wird einer nur auf ein Jahr angenommen auf Wohlverhalten und um zu sehen, ob er das nöthige Vermögen mitbringt. Jeder fremde Mann, der Bürger wurde, zahlte (1663) 10 fl. Brückengeld an den Baumeister, Frauen 5 fl.; diese hatten auch einen Geburtsbrief aufzuweisen. Auch Fremde, welche auswärts wohnten, aber in K. Häuser oder Güter erwarben, ebenso jeder, der in K. ein Lehen erhielt, mußten dem Schultheißen geloben und alle Lasten mittragen. Pfahlbürger bezahlten (1678) der Ganherrschaft 1 Rthlr. Schutzgeld, der Gemeinde 2 fl. p. Jahr.

War jemand das nachgesuchte Bürgerrecht etliche mal abgeschlagen, so mußte er binnen 4 Wochen den Flecken räumen (1601). Ausgeschätzte d. h. vergantete Personen wurden zum Thor hinaus geführt und des Fleckens verwiesen (1601). Wegen grober Exzesse konnte dem Schuldigen der Befehl ertheilt werden, binnen Monatsfrist zu verkaufen, seine Schulden zu bezahlen und mit Weib und Kind den Flecken zu räumen, widrigenfalls er ins Gefängnis gelegt werde (1607). 1600 wurde ein Weber, weil er eine leichtfertige Dirne mit 2 Bankerten genommen, des Fleckens verwiesen.

1580 hatten die übrigen Ganerben die Juden, die sich schon 1555 in K. finden, aus K. geschafft, Ludwig Kasimir und Georg von Stetten wandten sich gegen diesen Beschluß an das Kammergericht und bewirkten eine Inhibition der Maßregel. Der Prozeß dauerte noch längere Zeit, da die 3 andern Ganerben nun Dr. Hermann in Hall beauftragten, ihre Sache beim Kammergericht zu führen.

Der Sage nach sollen die Juden schon seit älterer Zeit in K. seßhaft gewesen sein. Ihr Gottesacker habe sich im Holderrain befunden. Noch 1700 soll ein Haus mit hebräischer Inschrift in der Scherfengasse gewesen sein. Über die Betheiligung der Juden am Bau der Mauer s. oben.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_294.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)