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und die Prozessionen mit der Fahne verachten (Faßn. 1549). Die Ceremonien hatten keinen Boden mehr in der Gemeinde. 1556 ward Tummelhardt von der Visitationskommission auf Viti und Modesti nach Öhringen zu Visitation beschieden. Der Wunsch der Gemeinde war es, daß er dem Rufe folge, der nur zur Befestigung der evangelischen Sache dienen könnte; Tummelhardt, der, offenbar jetzt ganz evangelisch, die Visitation nicht zu fürchten brauchte, war bereit, sich zu stellen, aber der Schultheiß verbot es ihm und seinem Kollegen Georg Büschler, der nunmehr nach vollendetem Studium zu Ingolstadt seine Pfründe persönlich versah. Daß Komburg nunmehr Tummelhardt nicht mehr wollte, ist begreiflich, deshalb blieb seine Bitte 1556 um Addition, resp. Übertragung der Wolfgangspfründe ohne Erfolg. Als nach dem Abzug Georg Büschlers auf die Pfarrei Geifertshofen der feurige Georg Herbolzheimer von Windsheim, dem man nachsagte, er habe in der Karwoche die Gemeinde gegen die Juden aufgehetzt, auf die Stelle Büschlers kam, bat die Gemeinde vergeblich, den Kaplan zum Pfarrer zu machen und den alten Tummelhardt auf die Kaplanei zu setzen. Nach Tummelhardts Tod folgte 1563 ein ehemaliger Wittenberger Student (W. F, 9, 239) Wolfgang Kihn (auch Kien oder Kun). Für die nächste Zeit blieb K. ohne Anfechtung evangelisch. (Nach Akten des Staatsarchivs in Ludwigsburg und Stuttgart.) Komburg benützte die neue Ordnung, um von 1568 an die Pfarrgüter zu verkaufen und die Geistlichen mit Geld abzufinden. (Archiv in Öhringen.) Die Kirchenordnung war die wirtembergische des Herzogs Christoph. 1583 machte Bischof Julius den Versuch, Künzelsau wieder zur alten Kirche zurückzuführen, nachdem man schon 1571 den Pfarrer Pierius nach Würzburg zitirt hatte (Staatsarch.), indem er dem Pfarrer Leutmesser befahl, das Ruralkapitel zu besuchen. Komburg wünschte, daß er dem Befehl gemäß nach Lauda gehe, Hohenlohe widersprach. Im Jahr 1584 erließ nun der Erzbischof von Mainz, der zugleich Ganerbe war, an Leutmesser den Befehl, mit den Pfarrern zu Sindeldorf, Marlach, Winzenhofen, Westernhausen und Niedernhall am 30. Juni vor seinen Räthen und Deputirten in Bischofsheim a. d. T. sich zu stellen.

Es war aber ein Schlag ins Wasser, da Hohenlohe das jus episcopale, die Herren von Stetten das jus coepiscopale ansprachen. Doch gelang es Bischof Julius, Namens Komburg mit Mainz sich zu verständigen, daß Nagelsberg, das bisher Filial von K. gewesen, losgetrennt und die Evangelischen in Nagelsberg 1609 genöthigt wurden, die dortige katholische Kirche zu besuchen. (Mayer Coll.) Erst im Jahr 1637 machte Mainz, als der mächtigste unter den katholischen Ganerben, noch einmal den Versuch, K. einen katholischen Pfarrer zu setzen. Es war ein Jesuit, gegen welchen die Gemeinde heftig protestirte (Bauer Coll., Wib. 1, 719).

Fortan war man in K. äußerst mißtrauisch gegen die geringste Spur katholischer Einmischung. Als 1645 der würzburgische Schultheiß Fugman ein Kruzifix in die Kirche stiftete, ließ es Hohenlohe bei Nacht wieder wegnehmen (Akten in K.). Der Pfarrer von Nagelsberg mußte für jede Amtshandlung in K. einen Revers ausstellen. 1723 wurde nur noch eine Anzeige an den hohenlohischen Beamten oder in dessen Abwesenheit an den gemeinen Schultheiß gefordert. Doch

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Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_307.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)