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des italienischen Künstlers sollte Wilhelm von Zocha, Oberamtmann von Wassertrüdingen die Bauleitung übernehmen, dessen jüngerer Bruder Karl Friedrich (gestorben 1749 als seines Geschlechts) den Bau eilig ausführte, weil der verhältnismäßig geringe Betrag von 60000 Gulden zu verwirklichen und bedeutsamen Steinbauten nimmer ausreichte. Immerhin ist auch die der Reitbahn zugewandte Seite des Schlosses, wenn auch mit viel Eile und ohne besonders bemerkenswerte Kunst, doch würdig ausgeführt. Das System der Enfiladen, daß alle Türen auf eine Flucht sich öffnen, ist beibehalten. Das Ganze des Schlosses, dessen neue Teile „nach der Antique ihrem Genie“ als Putzwerk mit geradem Fugenschmuck erstellt waren und die von der Markgräfin ersehnte bienséance bewahren, ist kurz dem Tode der fürstlichen Gönnerin (am ersten Weihnachtsfeiertag 1729) vollendet worden. Die Maler Diego und Karlo Karlone, die „Hofebenist“ Schutzmacher haben ihr Bestes in Farbe und Meißel getan. Wer aber über den letzten Titel staunen wollte, denke daran, daß im 20. Jahrhundert an einem Fürstenhofe ein Marmorrat ernannt wurde, jedenfalls auch ein seriöser Titel, späteren Geschlechtern zum Studium zu empfehlen.

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 Getauft ward Karl Friedrich Wilhelm (der Geistliche hatte versehentlich Wilhelm an zweite Stelle gereiht und so einen großen Verstoß gegen die Etikette sich beikommen lassen) in der Stiftskirche zu Gumpertus, der Hofkirche, da die Haustaufen damals nicht Brauch waren. Der Name der Kirche, deren Heiligen weder Bischof Räß von Straßburg noch Bischof Weiß von Speyer, deren Werk als einwandfreies Zeugnis ich zu Rate zog, mit charakteristischen Zügen ausstatten konnten – man weiß nur, daß er von Burchards Predigt getroffen seine Habe dem Bischof Kyllena (Kilian) zu Ehren opferte – ist also auch nicht ganz geklärt, denn die Konfirmationsurkunde ist kaum echt. 1160 ward die Kirche als Benediktinerstift, auf das später Würzburger Kanoniker folgten, von dem Bischof Herold geweiht, 1280 ward sie durch die Flammen zerstört. Der Arbeit der Gebrüder Esser und des Hans Behaim im 16. Jahrhundert folgte die des Gideon Bacher, eines Ulmer Bürgers, des Erbauers der Nördlinger Stadttürme, der auf der alten Substruktion die drei Türme erstehen ließ. Der mittelere baut sich auf zwei rechteckigen Unterlagen achteckig mit Pyramidenspitze auf und gehört wohl in seiner zarten Durchbrochenheit zu den Meisterwerken der Gotik. An die Kirche schloß Bacher die Kanzleigebäude an mit ihren nach innen profilierten Fenstern und den hohen Giebeln, die durch Pilaster gegliedert und wieder untereinander verbunden werden. Die Restauration von 1899 hat das Werk sehr würdig wiedergegeben, freilich auch seine Unvollkommenheit gezeigt. Die treueste Abbildung des Baues weist der sog. Neubau auf, einst mit seinen neun Kaminen ein Wahrzeichen der Stadt, wie St. Gumpertus’ gotisch durchbrochener Turm und die „Mühle ohne Bach“. Dem Schlosse gegenüberliegend war es das Palais des allmächtigen Premierministers

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Aus Ansbachs vergangenen Tagen. Fr. Seybold’s Buchhandlung, Ansbach ca. 1912, Seite 06. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bezzel_Aus_Ansbachs_vergangenen_Tagen_06.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)